Verstopfung mit Mindestlohn

Fötengruppen und Frau Nahles: der Autor und Kolumnist Axel Hacke im AZ-Interview über die Untiefen des Humors und Sprachkritik als Herrschaftskritik.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Fötengruppen und Frau Nahles: der Autor und Kolumnist Axel Hacke im AZ-Interview über die Untiefen des Humors und Sprachkritik als Herrschaftskritik.

Wie groß der Hupraum eines Autos ist, lässt sich leicht erahnen, ebenso, dass die Fötengruppe nur ein „l“ vom richtigen Spiel trennt. Rechtschreibfehler sagen die einen, aber auch neue Worte, sagt der Autor Axel Hacke, der in seinem Buch „Wortstoffhof“ (Kunstmann Verlag, 222 Seiten, 16.90 Euro) für sprachliche Absurditäten aus Zeitungen, Speisekarten, Politikergerede oder dem täglichen Gebrauch seine unterhaltsame Verwendung findet. Der Bundeskanzlerin Angela Merkel, der es wichtig ist, „Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit abzuholen“, setzt Hacke ein klares Veto entgegen: „Wir bleiben, wo wir sind. Wir reisen, wohin wir möchten. Wir lassen uns nur von Leuten mitnehmen, die wir mögen. Damit das klar ist.“

AZ: Herr Hacke, was ist eigentlich guter Humor in der Literatur?

AXEL HACKE: Robert Gernhardt hat es mal treffend formuliert: Humor ist eine Lebenshaltung, Komik ist zunächst einmal eine Technik. Es gibt keine komischen Schriftsteller, es gibt nur komische Texte. Und ein guter Humorist ist jemand, der den dunklen Seiten des Lebens seinen Humor abgerungen hat. Das macht ja dann auch das Tröstende eines Textes aus.

Welcher Autor amüsiert Sie?

Thomas Mann hat zum Beispiel wahnsinnig komische Texte geschrieben. Die Buddenbrooks sind ein Panoptikum irrsinnig komischer Figuren, allen voran der Hypochonder Christian Buddenbrook. Bei den Tagebüchern hingegen ist Mann sicherlich eher unfreiwillig komisch wenn er so sinngemäß schreibt: „Bin heute versehentlich um sieben statt um acht Uhr aufgestanden – starke Irritationen.“ Das hätte auch Loriot schreiben können – dann allerdings bewusst als Ironie.

Sie haben das Tröstende in der Komik erwähnt, braucht man nicht auch eine gewisse Boshaftigkeit?

Gewiss, aber immer vor dem Hintergrund, dass der Autor sich dabei selbst nicht ausnimmt. Ich mag das Prinzip der Schadenfreude nicht, das Herumhacken auf Leuten, die sich nicht wehren können. Deswegen ist ist mir vieles der so genannten Komik im Fernsehen relativ fremd, dieses industriell gefertigte Ablachen über andere.

Ihr neues Buch befasst sich ironisch mit Sprachmüll. Was halten Sie von den Bewahrern, die die deutsche Sprache vor Anglizismen retten wollen?

Sprachpflege? Das würde ja heißen, dass unsere Sprache krank wäre. Ich finde sie aber außerordentlich lebendig. Vor zehn Jahren hat Trapattoni seine Wutrede gehalten und dabei jegliche Grammatik außer acht gelassen. Und gerade deshalb hat man gemerkt, wie kraftvoll die deutsche Sprache sein kann. Man sollte sowieso aufhören, die Sprache immer aus so einer Art juristischen Perspektive zu betrachten und nur nach den Kriterien „richtig“ und „falsch“ zu beurteilen. Übrigens regen sich unsere Sprachpfleger wahnsinnig über Anglizismen auf und feiern andererseits jedes deutsche Wort, das es in eine andere Fremdsprache geschafft hat. Das ist ein Widerspruch.

Es gibt ja nicht nur falsche und richtige Sprache, es gibt auch noch Politikerdeutsch, das Sie auch in Ihrem Buch aufs Korn nehmen.

Um es einmal ideologisch zu sagen: Sprachkritik ist ja auch Herrschaftskritik. Viele unsere Politiker können den Jargon der Machthaberei einfach nicht ablegen. Bei der „Mitte“ sieht man den Machtkampf um den Begriff. Ich bewundere diejenigen, die sich innerhalb des Politsystems ihre eigene Sprache bewahrt haben. Franz Müntefering etwa ist so einer, Peer Steinbrück äußert sich auch in seiner eigenen Sprache. Frau Nahles aber sagt sie werde „hartleibig für den Mindestlohn kämpfen“. Ich denke da an Verstopfung.

Überkommt Sie angesichts zynischer Formulierungen in Politik und Wirtschaft nicht manchmal die Wut?

Ich neige da eher zum Spott. Man muss sich befreien von diesem Jargon, und Lachen ist so befreiend wie nichts sonst. Wobei ich noch eines sagen will: Mir geht es nie um das Schenkelklopfen nach einer Pointe, ich möchte in meinen Texten vielmehr so eine schwebende Leichtigkeit erzeugen. Dieses Gefühl herzustellen ist mir viel wichtiger als lautes Lachen. Volker Isfort

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.