Verliebte Nixe im Puff

Salzburger Festspiele: Das Regie-Duo Jossi Wieler und Sergio Morabito entzaubert Dvoráks Oper „Rusalka“, Dirigent Welser-Möst bringt Glanz.
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Salzburger Festspiele: Das Regie-Duo Jossi Wieler und Sergio Morabito entzaubert Dvoráks Oper „Rusalka“, Dirigent Welser-Möst bringt Glanz.

In den Tiefen eines Waldsees hat sich der Wassermann ein Bordell eingerichtet. Drei gelangweilte Nymphen warten auf Besucher. Ebenso die Nixe Rusalka: Sie hadert mit ihrem Geschick, weil sie sich in einen Prinzen verliebt hat. Kein Wunder, dass sie fest entschlossen ist, den Ausbruch aus dem Milieu zu versuchen.

Jossi Wieler und Sergio Morabito, die beiden Regisseure der letzten Opernpremiere der Salzburger Festspiele, bekamen für ihre Version von Dvoráks „Rusalka“ vom Publikum im Haus für Mozart heftige Prügel. Kein Wunder: Bei einem Märchen will man träumen – und nicht nur billige Puff-Requisiten, Sperrholz und Diaprojektionen mit schwimmenden Fischen und Dosen-Müll vorgesetzt bekommen (Bühne: Barbara Ehnes).

Das Happy End schmeckt schal

Die Ablehnung war heftig. Obwohl es sich Jossi Wieler und Sergio Morabito nicht leicht gemacht haben. Für sie ist die traurige Geschichte von Rusalka, die sich in einen Menschen verwandelt, um die Liebe zu erleben, eine Parabel über das Scheitern in einer zynischen Welt. Das Happy End schmeckt schal. Der treulose Prinz wird mit dem Todeskuss bestraft. Rusalka hat ihre Lektion gelernt – und vielleicht ja sogar jene individuelle Freiheit gewonnen, die sich das Regie-Team erträumt haben mag.

Immerhin: Jossi Wieler und Sergio Morabito gelang es, den Akteuren zu einer wunderbar stimmigen Bühnenpräsenz zu verhelfen. Da wurde nie an der Rampe agiert oder „nur“ ins Publikum gesungen. Und dennoch blieb ein fader Beigeschmack. Denn Jaroslav Kvapils Libretto, das geschickt die Undinen-Erzählung, Andersens „Meerjungfrau“ und die Melusinen-Sage miteinander verknüpft, ist mehr als ein billiger Groschenroman um eine Nutte, die keinen Bock mehr hat. Auch Dvoráks Musik bietet keinerlei Anhaltspunkte, die Story derart rigoros zu entzaubern.

Zwar wurde sie schon zu Lebzeiten des Komponisten als „eine Kette melodischer Gedanken ohne dramatische Kontinuität“ neidvoll missverstanden. Doch in Wahrheit ist sie durchaus in der Lage, die Zärtlichkeit in Rusalkas „Lied an den Mond“ wie auch den Schmerz über die verlorene Liebe oder die polternden Ausbrüche des Wassermanns glaubhaft zu illustrieren.

Nichts fiel unter den Tisch

In Salzburg hatte man dafür ein Luxus-Paket geschnürt. Das Cleveland Orchestra im Opern-Graben, das ist Champions League. Seidiger Streicher-Glamour, Bläser-Soli zum Schwärmen – nichts fiel unter den Tisch. Die Elite-Musiker aus den USA lehrten der Wiener Konkurrenz das Fürchten, was den wunderbar einfühlsamen Dirigenten Franz Welser-Möst am Schluss zu einem amüsanten Spagat nötigte. Allzu deutlich durfte er die Freude über die Leistung „seines“ Orchesters, bei dem er bis 2018 verlängert hat, nicht zeigen, schließlich ist er ab 2010 Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper.

Auch auf der Bühne Festspiel-Laune: Camilla Nylund hatte für die unglückliche Rusalka bewegende Zwischentöne parat. Pjotr Beczala (Prinz) zeigte Tenor-Glanz vom Feinsten. Als fremde Fürstin ließ Salzburg-Debütantin Emily Magee beachtliches hochdramatisches Format vernehmen. Alan Held (Wassermann) und Birgit Remmert (Hexe Jezibaba) erinnerten stimmgewaltig an Wagner: Wotan und Erda im Puff. Schöne Aussichten.

Volker Boser

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