Vergeigte Luftschlösser

Ein neuer Konzertsaal für München ist nicht nur im Hinblick auf das Hamburger Desaster fragwürdig. Was spricht dagegen, endlich den Herkulessaal und die Philharmonie zu renovieren?
von  Abendzeitung

Ein neuer Konzertsaal für München ist nicht nur im Hinblick auf das Hamburger Desaster fragwürdig. Was spricht dagegen, endlich den Herkulessaal und die Philharmonie zu renovieren?

Angesichts der Elbphilharmonie überkommt einen das Grauen, was die Münchner Konzertsaal-Pläne angeht. Dabei ist die vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und seinem Chefdirigenten Mariss Jansons ins Gespräch gebrachte Idee schon verworren genug.

DIE SITUATION Die Musiker des BR sind Münchens bestes Orchester. Sie vagabundieren heimatlos zwischen dem Herkulessaal der Residenz und der Philharmonie hin und her. Im Gasteig campieren sie in einem schäbigen Hinterzimmer. Ein eigner Saal würde die Konzertplanung erleichtern.

DAS PROBLEM Leider haben es die vor Selbstbewusstsein strotzenden Musiker vom BR versäumt, Verbündete für ihre Idee zu gewinnen. Bis heute ist die Finanzierung ungeklärt: Der Sender darf mit Gebühren keinen Konzertsaal finanzieren. Wieso sollte der Staat es tun, der nur mit Ächzen die dringende Renovierung seines eigenen Gärtnerplatztheaters durch den Landtag gebracht hat? Und eine bürgerschaftliche Mobilisierung wie bei der Pinakothek der Moderne zeichnet sich für den Konzertsaal nicht einmal in Umrissen ab.

STANDORTE Der Marstall gilt als zu klein. Das Grundstück am Finanzgarten ist eng. Beim Apothekenhof rebelliert der Denkmalschutz. Um die hässlichen Uni-Gebäude neben dem Museum Brandhorst wäre es nicht schade. Aber hier spricht vieles für eine weitere Konzentration auf die bildende Kunst. Die Freifläche gegenüber dem Circus Krone hätte immerhin den Charme der Nähe zum Sender und könnte das Marsfeld insgesamt aufwerten.

MEHR REALISMUS Der sowjetisch sozialisierte Mariss Jansons glaubte lange an Machtworte von rasch wechselnden Ministerpräsidenten. Derzeit übt der Dirigent sanften Druck auf den neuen BR-Intendanten Ulrich Wilhelm aus, indem er seinen schon ewig zur Verlängerung anstehenden Vertrag nicht unterschreibt. Ob das hilft?

WAS TUN? Bei Licht besehen, ist die Situation gar nicht so schlecht. München hat mit dem Gasteig, dem Herkulessaal und dem Prinzregententheater drei Konzertsäle, die ganz unterschiedlichen Bedürfnissen entgegenkommen. Statt Luftschlösser zu bauen, wäre es besser, mit dem Bestand sinnvoll umzugehen. Die Stadt muss endlich die Philharmonie auf den neuesten Stand bringen. Geld ist da, wie an der Olympiabewerbung deutlich zu sehen ist. Und auch der Staat sollte endlich seine Hausaufgaben machen. Es ist auch nicht einzusehen, weshalb unter dem Vorwand von Denkmalpflege die Modernisierung des Herkulessaals ausbleiben soll.

MEHR NACHHALTIGKEIT Natürlich könnte ein spektakulärer Neubau einen Klassik-Hype auslösen. Die Renovierung der bestehenden Säle ist zwar nicht besonders glamourös. Dafür aber wäre sie nachhaltig.

Robert Braunmüller

Ein Konzertsaal für das Museumsviertel

FDP-Ratsfraktionschef Mattar drängt Ude: Er soll sich stärker in die Diskussion einmischen

Beim vielstimmigen Chor um einen neuen Konzertsaal für München hat die Stadt in den Zuschauerrängen Platz genommen: So hat die Rathausmehrheit gerade erst nur den Einsatz für eine kleine Sanierung des Gasteigs gegeben. Ansonsten lauscht sie den polyphonen Klängen. Doch für den FDP-Ratsfraktionschef Michael Mattar ist die Stadt zu passiv: „Oberbürgermeister Christian Ude muss als Interessenwahrer der Münchner das ganze Projekt offensiver begleiten.“ Denn München sei als Musikstadt „international auf dem absteigenden Ast“.

Ude lehnt sich eher zurück und schaut zu – auch, weil die Diskussion auf Landesebene (die ist als potenzieller Bauherr zuständig) zu unharmonisch verläuft. Zum einen fehle ein geeigneter Standort und zum anderen sei die heikle Frage der Finanzen überhaupt nicht geklärt. Schließlich wartet er ab, weil an einem neuen Konzertsaal auch die Frage hängt, ob die Stadt die Philharmonie im Gasteig generalsaniert. Für Michael Mattar macht Ude zu wenig: „Die Haltung Udes ist nicht konstruktiv, das alles als Fata Morgana zu bezeichnen.“

Kunsthalle im Marstall

Die Münchner dürften „nicht für die ökonomischen Interessen des städtischen Gasteig in Haftung genommen werden“. Die Stadt müsse die Suche „positiv begleiten: „Wir müssen als Musikstadt ein Interesse daran haben, einen geeigneten Standort zu finden.“ Und wo soll der Konzertsaal stehen? Da schlägt der FDP-Ratsfraktionschef das Kunstareal an der Barerstraße vor: Dort, wo heute die Mineraliensammlung ist. Mattar: „Das wäre eine hervorragende Lösung, weil es noch einmal einen Schub für das Museumsviertel gibt und den Bereich noch mehr stärkt.“ Untersuchungen hätten ergeben: „Angesichts der vielen Kunstschätze müssten dort mehr Besucher sein.“ Ein weiteres Plus: „Dann kann dort endlich die Tiefgarage gebaut werden, die heute schon dringend gebraucht wird.“

Kunstminister Wolfgang Heubisch – Mattars Parteifreund in der FDP – halte das Kunstareal auch für „ausgesprochen interessant“. Doch es gibt auch Überlegungen, anstelle der Mineraliensammlung eine Kunsthalle zu bauen. Die fehlt in München. „Eine Kunsthalle könnte auch im Marstall untergebracht werden“, findet Michael Mattar: „Der hintere Teil wird nur als Lager genutzt, das brauchen wir dort nicht.“ So wäre für beides eine Lösung da. „Problematischer“ als die Frage nach einer Kunsthalle sei die Zukunft der Grafischen Sammlung: „Für die muss unbedingt etwas getan werden“, meint Mattar.

Willi Bock

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