Vergänglich bist auch du

Möge der Spätsommer funky sein: Das neue Album der Red Hot Chili Peppers hat gehörig Groove und tut keiner Fliege was zuleide
von  Michael Stadler

Es kann nicht für immer weitergehen, mit den Drogen, mit dem Sex und dem Jungsein, auch nicht für eine Band aus dem ewig sonnigen Kalifornien. Kein Wunder also, dass Sänger Anthony Kiedis heute in Interviews mehr vom Clean-Sein und von seiner dreijährigen Tochter Everly Bear spricht als vom Exzess, über dem schon der Schleier der Nostalgie hängt. 48 Jahre ist Kiedis immerhin alt, und das Cover des zehnten Studio-Albums der Red Hot Chili Peppers, „I’m With You”, gibt sich reduziert und, scheint es, selbstironisch. Eine Fliege, sie taucht auch im Inlay auf und hockt auf Medikamenten, Tabletten, eine Eintagsfliege, die sich wohl an der Verlängerung ihrer Existenz ansaugt. Eine Tablette ähnelt Viagra, und damit wird vielleicht gar das zu bekämpfende Absacken der (künstlerischen?) Potenz angedeutet.

Diese unerträglich launische Fliegenleichtigkeit des Seins ist auf dem Mist von Damien Hirst gewachsen, er zeichnet für das Artwork verantwortlich. Nichts währt ewig, und so hat sich Peppers-Gitarrist John Frusciante mal wieder entschlossen, die Band zu verlassen, was für Josh Klinghoffer, 31 Jahre jung und sowieso schon auf der letzten Tournee dabei gewesen, die Chance zum Einspringen bedeutet. Den Sound lenkt er dabei nicht in furios neue Richtungen, sondern unterstützt den Trend zu noch geschmeidigeren Songs, die genug Härte vorlegen, dass man sich als Zuhörer nicht als Weichei fühlen muss, und dann doch so melodiös daherkommen, dass sie zum Stadion-Rock taugen.

Beim Einstieg überlagern sich die Gitarren, doch bald bricht ein pop-reiner Refrain durch, und Kiedis singt, seine Stimme zunächst verzerrt, nun glasklar von der „Monarchy of Roses”. Bestimmend für den Peppers-Sound bleiben die markanten Bass-Läufe von Flea, der nach dem Doppelalbum „Stadium Arcadium” von 2006 eine Musikschule in L.A. gründete und Jazztrompete studierte. Einmal hat er ein Trompeten-Solo im karibisch klingenden „Did I let you know”, und wenn nicht nur hier der Crossover in den Jazz reicht, mag es die Band doch weiterhin bevorzugt funky.

Besonders „Look Around” könnte zu dem Hit werden, den man eigentlich schon mit „The Adventures of Rain Dance Maggie”, der ersten, eher belanglos klingenden Single-Auskopplung haben will. Im Video sieht man die Band auf einem Dach jammen, am Rand von Venice Beach, springlebendig – jung! – und Kiedis mit einem Schnurrbart, der ihn zum Borat des Alternative Rock macht. So ein Auftritt, so eine CD tut keiner Fliege was zuleide, aber immerhin liefern die Red Hot Chili Peppers den angenehm groovenden Soundtrack für den Spätsommer.

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