Verdis „Requiem“: Warum denn in die Ferne schweifen?
Verdis „Requiem“ unter Valery Gergiev mit den Philis im Gasteig: Warum es unverzeihlich war, den wackeren Opernchor des Mariinskij-Theaters für zwei Abende extra aus St. Petersburg einzufliegen.
Im wirklichen Leben soll der erste Eindruck entscheiden. In der Musik ist es umgekehrt: Da kann ein gelungener Schluss alles herausreißen. Leider bewältigte die kurzfristig eingesprungene Sopranistin Viktoria Yastrebova das „Libera me“ nur achtbar und verdarb die letzte Sekunde mit pseudodramatisch tremolierendem Sprechgesang, wo Verdi sich ein flüsterndes Hauchen vorgestellt hat.
Das kann passieren. Unverzeihlich aber war, den wackeren Opernchor des Mariinskij-Theaters für zwei Abende extra aus St. Petersburg einzufliegen. Dass sein kerniger Gesang zum dunklen Ton der Münchner Philharmoniker passt, ist das Freundlichste, was über die 80 Damen und Herren zu melden wäre. Die Sopranistinnen flackerten wild, die Homogenität ließ vielfältige Wünsche offen. Im heiklen Sanctus reichte es gerade für ein mulmiges Ungefähr. Ohnehin wäre für Verdis „Requiem“ beim Orchester der Stadt der Philharmonische Chor zuständig. Der aber durfte nicht, weil ein pfingstliches Petersburg-Gastspiel der Thielemänner die etwas obskure Geschäftsgrundlage dieses Auftritts bildete.
Überprobiert wirkte die Aufführung durch Valery Gergiev nicht. Er setzte auf spontane Opernfrische, mied aber immerhin den wild übersteuerten Krach, für den er sonst berüchtigt ist. Intimere Momente wie das oberflächlich heruntergesungene „Agnus Dei“ blieben vordergründig. Meist wähnten sich die wabernde Mezzosopranistin Ekaterina Gubanova und der metallische, um Diskretion immerhin redlich bemühte Tenor Sergej Semishkur auf der Bühne statt in einer Messe. Für alle Unbill entschädigte René Papes ehern-ernster Wucht: In dieser Partie ist der Bass momentan die ideale Besetzung.
Robert Braunmüller