Verdeckt und intim

Der NDR hat einen neuen „Tatort“-Kommissar: Mehmet Kurtulus ermittelt als türkischstämmiger Zivil-Fahnder Cenk Batu undercover in Hamburg
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Fast zu cool für die ARD: Der neue "Tatort"-Kommissar Cenk  Batu (Mehmet Kurtulus) wechselt ständig seine Identität
NDR 2 Fast zu cool für die ARD: Der neue "Tatort"-Kommissar Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) wechselt ständig seine Identität
Einziger Kontakt in die legale Welt: Cenk Batu (Mehmet Kurtulus, re.) mit seinem Chef Uwe Kohnau (Peter Jordan).
az 2 Einziger Kontakt in die legale Welt: Cenk Batu (Mehmet Kurtulus, re.) mit seinem Chef Uwe Kohnau (Peter Jordan).

Der NDR hat einen neuen „Tatort“-Kommissar: Mehmet Kurtulus ermittelt als türkischstämmiger Zivil-Fahnder Cenk Batu undercover in Hamburg

Es gibt Szenen, da kann sich der „Tatort“-Zuschauer heimelig zurücklehnen, vielleicht in Ruhe die Nüsschen aufmachen oder ein Bier holen: Wenn sich die Kommissare im Büro um den Kaffee streiten, wenn sie im Auto zum Tatort fahren, wenn sie den Pathologen antreiben, dass er endlich die Obduktionsergebnisse rausrücken soll. Krimi-Vertrautheit ist das, aber auch Krimi-Verstaubtheit. Die hat der neue Hamburger „Tatort“ abgeschafft. Mehmet Kurtulus ist Cenk Batu und hat mit den bisherigen Helden des Formats sehr wenig zu tun. Er ist türkischstämmig, er ermittelt undercover, und er ist eigentlich zu cool für die ARD.

Nach Manfred Krug – er trug als Stoever noch die Uniform der frühen Kommissars-Generation, den beigen Mantel – hat Robert Atzorn in Jeans und Lederjacke ermittelt, und viel mit sich und seinem Privatleben zu tun gehabt: Ex-Frau, Problem-Sohn und dann Beziehung mit der blonden Staatsanwältin.

Abkehr von der Amtsstuben-Ästhetik

Cenk Batu hat kein Privatleben, weil er eigentlich gar kein eigenes Leben hat. Er ermittelt verdeckt, schlüpft in immer andere Rollen, nimmt andere Namen an, wohnt in anderen Wohnungen. „Er ist da, wo Kriminalität wirklich stattfindet“, sagt Drehbuchautor Christoph Silber. Einziger Kontaktmann ist sein Vorgesetzter Uwe Konau (Peter Jordan), mit dem er sich heimlich auf Parkdecks trifft. Alle Büro-Szenen fallen also weg, genau wie schrullige Sekretärinnen oder zünftige Pförtner.

Besondere Aufmerksamkeit erregt schon vor der Ausstrahlung, dass Batu der erste türkischstämmige „Tatort“-Kommissar ist. Selbst die französische Presse nahm davon Notiz. Der NDR liefert aber kein Zeigefinger-Integrationsfernsehen. „Integration ist nicht so mein Thema“, sagt Kurtulus, der mit seinen türkischen Eltern als Zweijähriger nach Deutschland kam. „Das höchste Maß an Integration ist für mich Normalität.“ Auch bei Cenk Batu steht die Multikulti-Frage nicht im Mittelpunkt. Er spricht schlecht türkisch, im ersten Fall „Auf der Sonnenseite“ ermittelt er zwar auch unter Türken, Masche soll das aber nicht werden. „Meine Aufgabe ist es, in unterschiedliche Milieus einzutauchen“, sagt Kurtulus.

Der 36-Jährige wurde einst entdeckt von der Hamburger Schauspielerin Evelyn Hamann – nach einem Gastauftritt bei „Adelheid und ihre Mörder“ empfahl sie ihn für eine Theaterrolle. Später spielte er in Doris Dörries „Nackt“ und Fatih Akins „Gegen die Wand“ . Im vergangenen Jahr war der Verlobte von Desirée Nosbusch einmal als Gastkommissar an der Seite von Maria Furtwängler in deren „Tatort“ zu sehen.

Jetzt ist er einziger Mittelpunkt der neuen Reihe. Denn „Auf der Sonnenseite“ unterscheidet sich auch durch die Bildsprache von bisherigen „Tatorten“. Auch die ist eine Abkehr von der Amtsstuben-Ästhetik. Der Krimi ist gefilmt wie ein Thriller, die Kamera ist radikal auf die eine Figur gerichtet: Batu. „Er ist – bis auf eine Ausnahme – in jeder Szene zu sehen. Das ist fast schon voyeuristisch“, sagt Regisseur Richard Huber. Nicht nur fast. Noch nie wurde ein „Tatort“-Kommissar so körperbetont abgefilmt wie Cenk Batu. Batu im Schlafhemdchen, Batu im engen Shirt, Batu im Designer-Anzug, Batu in Badehose. Batu rennt, schwimmt, schwitzt – die Kamera immer ganz dicht dran. Schimanski ist ein Chorknabe dagegen. Und Manfred Krug hätte seinen Sender wahrscheinlich wegen sexueller Belästigung angezeigt. Aber die Zeiten ändern sich. Selbst in der ARD.

Tina Angerer

„Auf der Sonnenseite“ zeigt das Erste am Sonntag um 20.15 Uhr

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