Unterschätzte Reibungen
Zweiter Regiewechsel bei »Molières Misanthrop«: Intendant Dieter Dorn gibt bekannt, das Verhältnis zwischen den Schauspieler und Jung-Regisseur Andreas Wiedermann sei zerrüttet. „Niemand ist schuld“, sagt Dorn, höchstens er selber.
Molières Misanthrop ist offensichtlich nicht nur ein Menschenfeind, sondern auch ein Theaterfeind. Denn er macht es dem Bayerischen Staatsschauspiel schwer, ihn auf die Bühne zu bringen. Ursprünglich sollte Andrea Breth „Molières Misanthrop“ in der Fassung von Botho Strauß am Resi inszenieren – es wäre ihre erste Regiearbeit in München gewesen. Doch nach langen Vorgesprächen und Vorarbeiten seit 2006 sagte Breth vor einem halben Jahr ab.
Intendant Dieter Dorn vertraute die Inszenierung dem 30-jährigen Musiktheater-Regisseur Andreas Wiedermann an, der mit spektakulären Inszenierungen in der freien Szene (Salieris „Axur“, „Die Perser“) Aufsehen erregt hatte. Wiedermann sollte eigentlich in dieser Spielzeit „Gesäubert“ von Sarah Kane im Marstall inszenieren, Dorn überredete ihn, dieses Stück seiner Wahl auf die nächste Saison zu verschieben und sich an den „Menschenfeind“ zu wagen. „Das kannst du“, war er überzeugt.
Doch es ging nicht gut: Am Mittwoch gab Dieter Dorn bekannt, dass Chefdramaturg Hans-Joachim Ruckhäberle, der mit Andrea Breth die Textbearbeitung erstellt hat und laut Dorn „in dem Stück wohnt“, die Inszenierung in einem geänderten Bühnenbild zu Ende führen wird. Die Titelrolle spielt Jens Harzer, Premiere soll wie vorgesehen am 26. April sein. Erst vor einem Monat war eine Resi-Premiere geplatzt.
Franz Xaver Kroetz’ Inszenierung „Das Haus der Bernarda Alba“ wurde abgesagt. Da war wohl das Vertrauen zwischen Regisseur und Schauspielerinnen nachhaltig zerrüttet. Im Falle Wiedermann stellt sich der Intendant schützend vor den jungen Regisseur.
„Niemand ist schuld“, sagt Dorn, höchstens er selbst. Er habe die Reibungen unterschätzt, wenn ein freier Regisseur erstmals mit einem großen Apparat und den Vorstellungen souveräner Schauspieler konfrontiert werde. Da brauche es viel Psychologie, sein Konzept überzeugend zu vermitteln. Dorn erzählt, dass er bei seiner ersten Arbeit mit Helmut Griem und Gisela Stein aus Unsicherheit alles in sein Regiebuch notierte. Die beiden lachten sich tot: „Was da steht, wissen wir doch alles.“ Schließlich versteckte ihm Griem das Regiebuch. Dorn setzt weiter Vertrauen in Andreas Wiedermann: Er wird auf jeden Fall Kanes „Gesäubert“ im Marstall inszenieren.
Gabriella Lorenz