"Unter einem Himmel": Junge Malerei im Künstlerhaus am Lenbachplatz

Alle reden von Inklusion - bei "Little Art" ist sie seit über 20 Jahren Alltag. Jetzt geht die Organisation mit einer beeindruckenden Ausstellung an die Öffentlichkeit
von  Christa Sigg
Judith Jansens Farbzusammenklänge sind einfach betörend. Noch bis 15. März 2024 sind ihre Arbeiten im Künstlerhaus am Lenbachplatz zu sehen - und zu kaufen.
Judith Jansens Farbzusammenklänge sind einfach betörend. Noch bis 15. März 2024 sind ihre Arbeiten im Künstlerhaus am Lenbachplatz zu sehen - und zu kaufen. © Little Art

Über ihre Kunst will Lea Kircher nicht sprechen. Mag sein, dass das mit den vielen Menschen zu tun hat, die zur Eröffnung ins Künstlerhaus gekommen sind. Aber was soll man auch über die eigenen Bilder sagen? Stattdessen zeigt die junge Malerin auf ein gebundenes Buch mit ihren Arbeiten und die lange Bahn aus zusammengeklebten Aquarellen, die von der Wand herab weit übers Parkett läuft. Auf der erzählt sie Geschichten aus ihrem nicht ganz einfachen Leben. Das muss genügen, und recht hat sie. Schließlich geht es doch ums Hinschauen, Studieren, Nachdenken, kurz: sich auf die Bilder Einlassen.

Mit 14 Kolleginnen und Kollegen stellt Lea Kircher in den Clubräumen im historischen Seidl-Bau am Lenbachplatz aus. Ob mit oder ohne Behinderung, spielt keine Rolle. Die Stimmung ist ausgelassen und so angenehm anders im Vergleich zu den ortsüblichen Vernissagen, dass man sich gerne unter die "Fans" mischt. Das nichtssagende wie überstrapazierte Wort "spannend" scheint nicht zu existieren. Stattdessen wird über Farbzusammenstellungen diskutiert, über mehr oder weniger gelungene Kompositionen, über die unfassbare Geduld, die manche Details erfordern, und immer wieder über die Technik.

Denn dass auf so gutem Niveau gearbeitet wird, kommt nicht von ungefähr. Seit zwei Jahren gibt es bei "Little Art" - die Organisation fördert die Kreativität von Kindern und Jugendlichen - eine Inklusionswerkstatt. Dort kann sich jeder und jede mit professioneller Unterstützung ausprobieren, zum eigenen Stil finden, verschiedene Techniken kennenlernen, auch vom Beobachten der anderen profitieren.

Wenn Patrick Siegl einen Workshop leitet, ist das sowieso eine Klasse für sich. Der 32-jährige Münchner wurde 2014 mit dem Euward ausgezeichnet, das ist der international wichtigste Preis für Kunst im Kontext von geistiger Behinderung. Siegl wird auch an diesem Abend gefeiert, seine Werke sind von Sammlern heiß begehrt und erzielen mittlerweile fünfstellige Summen. Davon träumen natürlich auch seine Schülerinnen und Schüler. Aber dazu braucht es einen Talent-Scout.

Elena Janker, die Little Art 2002 gegründet und mit der gemeinnützigen Organisation von Anfang ein inklusives Konzept verfolgt hat, sieht immer schon ein bisschen mehr. Und sie vermittelt - etwa ans Augustinum. Die Stiftung verleiht nicht nur alle paar Jahre den Euward (die Preisträger Schau ist ab 17. Mai 2024 im Haus der Kunst zu sehen), sondern bildet in ihren Werkstätten auch aus. Lea Kircher zum Beispiel oder Julius Hartauer, der in seinen Bildern einen Blick in die Zukunft tut. Momentan tummelt er sich im Jahr 4056.

Zu den hoffnungsvollen Kandidaten gehört auch Michel Ries, der bald beim Bezirk Oberbayern ausstellen wird. Anstatt über seine Werke zu sprechen, liest Michel lieber aus Antoine de Saint-Exupérys "Kleinem Prinzen" vor. Dass das Wesentliche für die Augen unsichtbar ist, muss hier keinen irritieren. Eher, dass unsere Welt so sehr auf das Sichtbare und damit auf das schnell Messbare fixiert ist.

Künstlerhaus am Lenbachplatz 8, bis 15. März 2024, Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr - bitte mit Anmeldung unter Telefon 089-59918414

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