Unsere Besten! Das sind die Sterne des Jahres 2019

Bereits zum 46. Mal ehrt die AZ-Kulturredaktion mit den "Sternen des Jahres" die kulturellen Höhepunkte aus dem vergangenen Jahr. 
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Michael Herbig in "Ballon".
Studiocanal / Marco Nagel 14 Michael Herbig in "Ballon".
Das schönste Mädchen der Welt
Tobis Film 14 Das schönste Mädchen der Welt
Philip Bradatsch
Peter Reichhart 14 Philip Bradatsch
Amadeus Wiesensee
Sammy Hart 14 Amadeus Wiesensee
Gerald Finley
Hösl 14 Gerald Finley
Stefan Leonhardsberger
Jan Frankl 14 Stefan Leonhardsberger
Letzte Nacht der Monarchie
dtv 14 Letzte Nacht der Monarchie
Genija Rykova
M. Krosny 14 Genija Rykova
Pascal Fligg
Gabriela Neeb 14 Pascal Fligg
Maximilian Heisler will sich gegen die GBW wehren.
Daniel von Loeper 14 Maximilian Heisler will sich gegen die GBW wehren.
Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne.
picture alliance/Lino Mirgeler/dpa 14 Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne.
Lukas Kranzelbinder
Ssirus Pakzad 14 Lukas Kranzelbinder
Mascha Erbelding
ho 14 Mascha Erbelding
Hans Pleschinski
dpa 14 Hans Pleschinski

Bereits zum 45. Mal ehrt die AZ-Kulturredaktion mit den "Sternen des Jahres" die kulturellen Höhepunkte aus dem vergangenen Jahr. 

Was war außergewöhnlich am Kulturjahr 2018? Damit meinen wir nicht die Nichtverlängerung des Vertrags von Matthias Lilienthal an den Kammerspielen oder die Kultur-Großbaustellen Gasteig oder Volkstheater. Wir haben unsere Eindrücke des Kulturjahres noch einmal auf uns wirken lassen und mit Abstand überprüft, diskutiert und entschieden: Hier sind unsere Favoriten aus Kunst, Musik, Oper, Theater, Literatur und Film. Zum 46. Mal vergeben wir die AZ-Sterne des Jahres. Verliehen werden die Preise am 5. Februar im Lustspielhaus.

Film: Michael Herbigs Thriller "Ballon"

Michael Herbig in "Ballon".
Michael Herbig in "Ballon". © Studiocanal / Marco Nagel

 Er hat einige der erfolgreichsten deutschen Komödien aller Zeiten gedreht, zuletzt war auch "Bullyparade – Der Film" ein großer Erfolg. Jetzt hat sich Michael Herbig, der Hitchcock-Fan, an das Thriller-Genre gewagt und zugleich einen historischen Film gedreht: "Ballon" spielt 1979 in der DDR – und ist absolut gelungen.

Herbig (auf dem Foto mit Alicia von Rittberg) hat aus der wahren Geschichte der Ballon-Flucht zweier Familien einen atemlosen Film gemacht, der fast von der ersten Minute an spannend ist. Sein Kniff: Er beleuchtet weder die Vorgeschichte der Figuren noch ihre Motivation. Dass diese DDR fliehenswert ist, wird schon noch plausibel, wenn sich die Stasi auf die Suche nach den Flüchtenden macht.

Herbigs erster Thriller hebt schnell ab, hält den Zuschauer gefangen wie ein enger Ballon – und die Geschichte der Paare, die mit ihren Kindern in einem windigen Ballon in die Lüfte steigen, hat im Wortsinn: Fallhöhe.

Jugendfilm: Das schönste Mädchen der Welt

Das schönste Mädchen der Welt
Das schönste Mädchen der Welt © Tobis Film

 Regisseur Aron Lehmann hat mit Co-Drehbuchautor Lars Kraume eine alte Idee in die Jetztzeit versetzt: Cyrano de Bergerac, ein 120 Jahre altes Versdrama, das in der Epoche der elegant gedrechselten Worte spielt.

Und was ist die heutige Poesie? Rap und Hip-Hop. Der Held ist hier der schlagfertige Spontanpoet Cyril. Er hat eine riesige Nase und ist in Roxy verliebt. Doch dieses "Schönste Mädchen der Welt" wird sich in Rick verknallen. Es gibt Irrungen, Wirrungen, Kabale und Liebe, Vollräusche und Großstadt-Nachtspaziergänge.

Dieser Jugendfilm verzichtet auf aufdringliche Pädagogik – und zeigt den üblichen platten Schulkomödien geistreich eine lange Nase.

Rock: Philip Bradatsch

Philip Bradatsch
Philip Bradatsch © Peter Reichhart

 Der Wahlmünchner reist als fahrender Sänger durch Europa. Auf seinem neuen Album "Ghost On A String" aber ist er eine fahrende Band: Außer dem Schlagzeug hat Philip Bradatsch alle Instrumente aufgenommen. Und er hat einen Sound geschaffen, der an die Großen aus Amerika erinnert, etwa an Tom Petty: "Outsiders" klingt wie dessen bester vergessener Song.

Folk, Bluegrass, Pop, krachender Rock: Philip Bradatsch verknüpft viele Stile. Besonders schön sind die Balladen, die auf seiner gekonnten Begleitung an der Akustik-Gitarre basieren.

Klassik: Amadeus Wiesensee

Amadeus Wiesensee
Amadeus Wiesensee © Sammy Hart

 Setzt man bei einem jungen Pianisten höchste Maßstäbe an, braucht man sich nicht lange mit der Technik, sicherem Geschmack und Phantasie aufzuhalten. Die hat jeder, der im internationalen Musikleben mitmischt. Bei Amadeus Wiesensee, Jahrgang 1993, kommt jedoch noch ein gewisses Etwas hinzu. Er gestaltet auch eine zweifellos vorher höchst durchdachte Interpretation spontan aus dem Moment heraus, lauscht den wundersamen Klängen nach, die er dem Flügel entlockt. Dass hier ein Ausnahmetalent heranreift, wird bereits bemerkt: Allein in diesem Jahr hat Amadeus Wiesensee beim Klavierfest Ruhr und in London debütiert. Den Namen muss man sich also merken – es dürfte leicht genug fallen.

Oper: Gerald Finley

Gerald Finley
Gerald Finley © Hösl

 Giuseppe Verdi wollte seine Oper "Otello" eigentlich nach Jago benennen. In der Neuinszenierung der Bayerischen Staatsoper im vergangenen November verstand man, warum: Der kanadische Bariton Gerald Finley versteht die Figur als irrlichternden Einflüsterer, der spielerisch probiert, wie weit er gehen kann. Stimme und Darstellung befanden sich völlig im Einklang. Finley hatte etwas böse Clowneskes, das sich im virtuosen Wechsel seiner Stimme zwischen Weichheit und Härte, Kraft und lyrischer Feinheit, tenoraler Höhe und Schwärze spiegelt. Und das war nicht die einzige Glanzleistung Finleys heuer. Ein paar Monate früher, in Aribert Reimanns "Lear" bei den Salzburger Festspielen, war er nicht minder herausragend.

Kabarett: Stefan Leonhardsberger

Stefan Leonhardsberger
Stefan Leonhardsberger © Jan Frankl

 Nach "Da Billie Jean is ned mei Bua" ist die "Rauhnacht" im Lustspielhaus die zweite Produktion von Stefan Leonhardsberger. Zusammen mit dem Gitarristen Martin Schmid entwirft er ganz großes Theater zwischen rasantem Typenkabarett, handfestem Bauerntheater und einer Shakespeare-Tragödie, bei der am Ende fast alle der zehn Gestalten, die Leonhardsberger mit hinreißender Schauspiellust buchstäblich verkörpert, tot sind.

Wenn er die Oma spielt, sieht der Zuschauer keinen 32-jährigen Schauspieler auf der Bühne, sondern tatsächlich eine zittrige Altbäuerin aus dem Mühlviertel, die an die bösen Mächte der Nächte zwischen Weihnachten, Neujahr und dem Dreikönigstag glaubt.

Sachbuch: Letzte Nacht der Monarchie

Letzte Nacht der Monarchie
Letzte Nacht der Monarchie © dtv

 Aus einer Demonstration auf der Theresienwiese im November 1918 entwickelte sich Undenkbares: Anhänger der USPD zogen durch die Stadt zu den Kasernen – und stießen auf keinen Widerstand. Anführer Kurt Eisner rief kurze Zeit später die Republik Bayern aus und beendete damit die Herrschaft der Wittelsbacher.

Wie es dazu kommen konnte und warum die Räterepublik keinen Erfolg hatte, erzählt der Münchner Journalist Michael Appel in seinem Buch "Die letzte Nacht der Monarchie" (dtv). Sein vor Leben strotzendes Porträt der revolutionären Zeit würzt er mit den Stimmen der Zeitgenossen, darunter der irrlichternde Jungdichter Oskar Maria Graf: überaus unterhaltsamer Geschichtsunterricht!

Schauspielerin: Genija Rykova

Genija Rykova
Genija Rykova © M. Krosny

 Was für ein komödiantisches Talent in Genija Rykova steckt, durfte man schon 2012 in den Kammerspielen in Stefan Puchers "Satansbraten" erleben. Danach kam sie ans Resi, war Lola Montez, ferkelte mit im "Schweinestall" oder glitt per Ballon als Fee in "Pinocchio" vom Bühnenhimmel herab. Gerade das Leichte, Schwebende zeichnet Rykova aus; mit Witz, Lebenslust, manchmal auch herrlich unterbelichtet trotzen ihre Figuren der Schwerkraft des Seins.

Im Cuvilliéstheater tanzt sie mitreißend als "Nora" in die Emanzipation und legte 2018 in "Der nackte Wahnsinn" das Klischee eines blonden Dummchens mit Verve und Würde hin. Zudem hatte sie als Mel in der BR-Serie "Servus Baby" glasklar die Männer, aber nicht ihr Leben im Griff. Und sie jazzt als Sängerin der Klischewetzkis auf der Bühne: ein fein musikalischer, leuchtend komischer Stern.

Schauspieler: Pascal Fligg

Pascal Fligg
Pascal Fligg © Gabriela Neeb

 Zu den Dauerbrennern im Volkstheater gehört Brechts "Dreigroschenoper". Den "Mackie Messer" spielt dabei wie eh und je: Pascal Fligg. Seit fast einer Dekade ist er ein Garant für großes Spiel im Volkstheater – und ringt seit Anfang 2018 gar mit Hitler: als Schlomo Herzl in Christian Stückls Inszenierung von Taboris "Mein Kampf". Fligg verleiht diesem Schlomo so viel Anstand, Humor und Mitgefühl, dass man einfach mit ihm fühlen muss. Anderswo pfeift er völlig uneitel auf die Sympathien: Sein Oberon im "Sommernachtstraum" ist ein notgeiler Elfenkönig, der Herr Amtsgerichtsrat in "Glaube Liebe Hoffnung" ein böser Hanswurst. Wer so hintersinnig in Abgründe schauen lässt, muss ein ziemlich schlauer Menschenkenner sein. Pascal Fligg ist ein präziser Spracharbeiter und Charakterdarsteller, mit viel Sinn für all die wunden Herzln, die hinter den Fassaden schlagen.

Engagement: Maximilian Heisler

Maximilian Heisler will sich gegen die GBW wehren.
Maximilian Heisler will sich gegen die GBW wehren. © Daniel von Loeper

 Protest nur noch per Mausklick, höchstens bei schönem Wetter mal auf eine Demo, So sind die jungen Leute. Stimmt nicht. Wie man an Maximilian Heisler sieht, Münchens wichtigstem Mietaktivisten.

Parteiunabhängig nervt der junge Wirt (Geyerwally, Frisches Bier) Investoren und Politiker beharrlich schon seit zehn Jahren, damals zunächst im Kampf um den Erhalt seiner Stammkneipe, der urigen "Burg Pilgersheim" bei ihm daheim in Untergiesing.

2011 rief er auf Demos für die Schwabinger 7 "Wir schützen, was wir lieben – Giesing und die 7" ins Mikrofon, 2012 gründete er das "Bündnis bezahlbares Wohnen" mit, inzwischen prägt er den Mieterstammtisch, organisierte die #ausspekuliert-Demo mit. Heisler ist immer noch erst 31 – und doch so wichtig für diese Stadt im Kampf gegen den Miet-Wahnsinn.

Kunstausstellung: Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne

Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne.
Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne. © picture alliance/Lino Mirgeler/dpa

 Man kann über Jonathan Meese wunderbar streiten. Das gelingt nur ganz wenigen Künstlern. Allerdings sollte man seine Kunst nicht mit ihm selbst verwechseln, denn das hat letztlich auch dazu geführt, dass der so genannte "Meese-Gruß" – das Heben des bösen rechten Arms – ausgiebig vor Gericht verhandelt wurde und viele gar nicht mehr so genau auf sein ziemlich kraftvolles OEuvre schauen.

Insofern ist die von Bernhart Schwenk und Swantje Grundler kuratierte Restrospektive in der Pinakothek der Moderne ein herrliches Korrektiv: In einem einzigen Raum führen Gemälde, Raummodelle, Zeichnungen, Fotocollagen und Künstlerbücher durch das 25-jährige Schaffen des Allrounders. Fündig wird, wer den eigenen Spieltrieb von der Leine lässt und sich mit Jonathan auf "Die Irrfahrten des Meese" begibt. Ein wohltuend eigensinniges Chaos breitet sich hier aus, das zeigt: Jonathan Meese ist ein freier Geist – und unser Künstler des Jahres.

Jazz: Lukas Kranzelbinder

Lukas Kranzelbinder
Lukas Kranzelbinder © Ssirus Pakzad

 Schon die Instrumentierung ist ungewöhnlich: Trompete, zwei Saxofone, zwei Bässe, zweimal Schlagzeug. Der aus Kärnten stammende Bassist Lukas Kranzelbinder hat sie sich ausgedacht, als er vor zweieinhalb Jahren einen Kompositionsauftrag vom Jazzfestival Saalfelden erhielt.

Die Premiere war ein Triumph und hatte Folgen: sein Wiener Septett "Shake Stew" wurde zu Konzerten in aller Welt eingeladen. Im Sommer gastierte es eine Woche in der Unterfahrt, präsentierte jeden Abend ein anderes Programm und wurde gefeiert. Aus Anleihen des schwarzen 70er und 80er Jahre-Jazz, Maghrebinischem, Gospel, Blues und Soundtrack-Ästhetik schufen Kranzelbinder und seine Mannen eine frappierend homogene Mixtur. Das bestens aufeinander abgestimmte, mit Weltklasse-Solisten ausgestattete Ensemble "Shake Stew" gehört zu den überragenden Formationen des jungen europäischen Jazz.

Bühne: Figurentheaterfestival

Mascha Erbelding
Mascha Erbelding © ho

 Es ist schon einige Zeit her, da spielte das Münchner Figurentheater "Die Spieldose" noch im Künstlerhaus am Lenbachplatz. Im Team war auch Mascha Erbelding, die später hinter der Bühne noch ganz andere Fäden zog. Heute kümmert sie sich gemeinsam mit Manfred Wegner um die Sammlung Puppentheater/Schaustellerei im Stadtmuseum, organisiert Gastspiele und Ausstellungen und ist seit 2007 die künstlerische Leiterin des fast alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen Figurentheaterfestivals.

Gemeinsam mit Co-Leiterin Evelyn James konnte sie die diesjährige Ausgabe dank einer erfolgreich beantragten Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes größer denken und ein herausragendes Programm mit internationalen Gastspielen kuratieren. 31 Stücke aus zehn Ländern luden sie ein, davon waren 17 vor allem für Erwachsene gedacht. Unter dem Motto "mit:gefühl" waren wahrlich wunderbare Aufführungen zu sehen, im Stadtmuseum betörten zudem die Theaterfiguren von Frank Soehnle in der Ausstellung "wunder.kammer" mit ihrem sanften Grusel. So ließ sich eine Kunstform in all ihren Facetten erleben, berührend, für die Kleinen und Großen.

Literatur: "Wiesenstein"

Hans Pleschinski
Hans Pleschinski © dpa

 Von Kultur inmitten der Barbarei erzählt der Münchner Autor Hans Pleschinski in seinem Roman "Wiesenstein" (C.H. Beck). Er beschreibt Gerhart Hauptmanns Reise in seine gleichnamige Villa im schlesischen Riesengebirge im Frühjahr 1945: Während Millionen Deutsche von Ost nach West fliehen, machen Hauptmann und seine Frau sich auf in die entgegengesetzte Richtung, der Roten Armee entgegen. Pleschinski rollt auf 550 Seiten das widersprüchliche Leben des Literaturnobelpreisträgers des Jahres 1912 auf. Der ebenso tragische wie faszinierende Roman bietet eine Geschichtsstunde voller unglaublicher Details.

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