Unfassbare, faszinierende, harte Körperlichkeit
Intensiver geht es nicht: Aronofskys „Wrestler“ mit Mickey Rourke
Gegen den Erregungs-Kick blutiger zirzensischer Kämpfe ist jede Zivilisation machtlos. In Amerika heißt ein derartiges Massenspektakel Wrestling. Und es bleibt – bei aller Show – ein martialisches, unfassbar physisches Brutal-Ereignis. Aber egal, ob man mit diesem trashigen Pseudo-Sport etwas anfangen kann oder nicht: „The Wrestler“ ist eines der intensivsten Filmerlebnisse der letzten Jahre – und ein Befreiungsschlag für einen Schauspieler, von dem man außer Drogen-, Sozialproblemen und Knastgeschichten lange nicht mehr viel gehört hatte: Mickey Rourke. Für seine unfassbar gewaltige Rolle als abgestürzter Wrestling-Star hätte er den Darsteller-Oscar bekommen müssen.
Ram, der Rammbock, lebt in einem Wohnwagen, hat langes, billig blond gesträhntes Haar, Hörgerät und Fertigbrille vom Discounter – ein muskelbepacktes Wrack, vollgepumpt mit allem, was die Pharmazie zum Körperaufbau und an Schmerzmitteln hergibt. Im Rausch seines Ruhms hatte Ram einen Egotrip hingelegt, der ihn jetzt – zwanzig Jahre nach seinen Triumphen – einsam und pleite zurücklässt. Verzweifelt versucht er, nach einem Herzinfarkt, wieder Anschluss zu finden an ein normales Leben, seine Tochter und die Liebe. Aber die Arena, der tosende Taumel der brüllenden Masse bilden die eigentliche tödliche Droge, von der Ram nicht lassen kann.
Rourke hat für diese Rolle alles gegeben. Es ist ein körperlicher und seelischer Radikal-Striptease, der den Zuschauer schockierend bannt, wie es vielleicht noch Kurt Russell in Carpenters „Klapperschlange“ 1981 schaffte. Und nicht zufällig gibt es eine Anspielung auf Gibsons „Passion Jesus Christus“, wenn Ex-Boxer Rourke seinen geschundenen Körper bandagiert. So entsteht das Gänsehautgefühl, dass Rourke so nur spielen konnte, weil er diese Figur selbst in sich trägt.
Ursprünglich sollte Nick Cage Ram spielen, um Produzenten Geld für das Projekt zu entlocken. Aber der lehnte ab. An Mickey Rourke als Zugpferd glaubte keiner – außer Aronofsky („Requiem for a Dream, „The Fountain“). So musste er schließlich „The Wrestler“ mit nur etwas über 6 Millionen Dollar verwirklichen, aber genau dadurch ist der Film so bewegend geworden, gedreht in High-School-Turnhallen und bei echten Wrestling-Kämpfen. Hier ist – nicht nur mit Rourke – das wirkliche Leben gecastet worden.Adrian Prechtel
Kino: Atelier, Leopold, Mathäser, MaxX, Gabriel sowie Neues Arena in OmU, Cinema in OF
R: Darren Aronofsky B: Robert Siegel (USA, 105 Min.)