Underground im Advent
Besinnlich debattieren Patti Smith und Christoph Schlingensief über Religion und Tod
Viel heiligen Zorn versprach das Podiumsgespräch „Art & Religion“ mit Patti Smith und Christoph Schlingensief vor dem Hintergrund der Ausstellung „Spuren des Geistigen“ im Haus der Kunst: Zwei Exponate – ein gekreuzigter Frosch von Martin Kippenberger und ein Kruzifix in Blut und Urin von Andres Serrano – erregen zuverlässig den Unwillen einer Vereinigung katholischer Laien. Vor dem Haus versammelten sich 250 Gläubige zum Sühnegottesdienst. Doch die Demonstranten draußen und das Underground-Dreamteam drinnen behelligten sich gegenseitig nicht. Der Nachmittag mit der „Mutter des Punk“, die in zwei Wochen ihren 62. Geburtstag feiert, und dem 48-jährigen Theater-Rebell, verlief so friedvoll und harmonisch, wie es sich für einen Adventssonntag gehört.
Die Gretchen-Frage, wie sie es mit Gott halten, beantworteten beide unter Ausschluss der Kirchen. Smith erklärte, für ihren Glauben kein „service center“ zu brauchen, denn Gott manifestiere sich in der Fantasie. Schlingensief, der sich nach seiner schweren Krebserkrankung intensiv mit Tod und Metaphysik auseinandergesetzt hat, nimmt eine Gegenspieler-Position zum Göttlichen ein: „Gott ist vollkommen, aber deshalb braucht er mich, denn ich kann etwas, was er nicht kann – sterben!“
Der bewegendste Moment war eine Liebeserklärung Schlingensiefs an seine Freundin. „Der Himmel kann gar nicht so schön sein“, erklärte er den Tränen nah, und im Saal wusste nur er selbst, dass gleichzeitig ein Interview über die Agenturen lief, in dem er von neuen Metastasen berichtete.
Mathias Hejny
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