Und willst Du nicht mein Bruder sein...

Takis Würger „Der Club“: Ein packend lakonischer Selbsterfahrungsroman aus der Welt der Oberschichts-Uni Cambridge  
von  Adrian Prechtel
Auf Partys im „Pitt Club“ in Cambridge dürfen Frauen nur drei Kleidungsstücke tragen – inklusiv Schuhe. Also kommen die meisten barfuß. Hier ein Bild der Cambridge University Fashion Show.
Auf Partys im „Pitt Club“ in Cambridge dürfen Frauen nur drei Kleidungsstücke tragen – inklusiv Schuhe. Also kommen die meisten barfuß. Hier ein Bild der Cambridge University Fashion Show. © Andrew Parson/dpa

Takis Würger „Der Club“:  Ein packend lakonischer Selbsterfahrungsroman aus der Welt der Oberschichts-Uni Cambridge / Am Montag im Literaturhaus

Oft kann man einen Text nicht lesen, ohne den Autor mitzudenken. Der deutsche Hans, der in „Der Club“ auf einer konservativ-eltären, englischen Uni studiert, ist zwar nicht der Autor mit dem bizarren Namen zwischen balkanisch-griechischer Exotik und deutscher Härte: Takis Würger. Aber in der Biografie dieses 32-Jährigen flackern Begriffe auf, die auch den Roman durchzucken – wie Cambridge, Pitt-Club, Rippenbruch, Boxen.

Furchtlosigkeit, Menschlichkeit, Distanz

Takis Würger war am Anfang seines Reporterlebens bei der Abendzeitung: ein wunderbarer, furchtloser Kollege, den man vom Ballett bis ins Rotlicht überall hinschicken konnte. Und so sagt Hans im Roman über sich selbst vor dem entscheidenden Boxkampf: „Ich habe später bemerkt, dass ich immer dann ruhig werde, wenn andere vor Nervosität durchdrehen“. Um dann später hinzuzufügen: „Ich würde nie verstehen, warum sich Menschen Boxkämpfe anschauen.“
Aus dieser Furchtlosigkeit, Menschlichkeit bei gleichzeitiger Distanz entstanden immer packende, wahrhaftige Texte. Und so liegt auch über „Der Club“ die unheimliche Spannung der Pontius-Pilatus-Frage: „Was ist (die) Wahrheit?“

Gang-Bang-Vergewaltigung im besten Milieu

Denn es geht um ein Verbrechen: Die Gang-Bang-Vergewaltigung einer jungen Frau im Clubraum einer Studentenverbindung – des Pitt-Club, in dem sich eine männerbündisch verschworene Gemeinschaft unbedingte Solidarität und Verschwiegenheit verspricht – also das, was man hier unter Männerfreundschaft versteht. Hans wird hierhin halb hineingezogen von Kameraden, halb als Marionette hineingeschoben von seiner Tante, die einen weiblichen Racheplan verfolgt und in ihm einen Spion hat, der seine eigene Mission lange nicht kennt.

Voyeure mit Blick in die Upper-Class

So schauen wir als Leser in die Upper-Class hinein – belastet mit der Frage, ob unverdienter Reichtum die Seele eines Menschen vergiftet. Eine Schicht wird aufgefächert, in der wohlstandsverwahrloste Jungmänner feinste Elemente der Abgrenzung zelebrieren und Narzissmus, Homophobie und Überlegenheitsgefühle pflegen. Wie sagt der Londoner City-Banker im Jaguar mit Chauffeur: „U-Bahnen sind die Sünde der Zivilisation, man steht darin wie ein Schwein auf dem Weg zum Schlachthof. Das ordinärste Transportmittel überhaupt.“

Povokant lakonische Sprache mit Filmassoziationen

Die Sprache von „Der Club“ ist provokant lakonisch: kurze, männliche Sätze, nur das Notwendigste wird gesagt. Das entwickelt einen sehnigen Lese-Zug ohne jeglichen romantischen Fettansatz – was passt, weil es ja auch ums Boxen geht – diesen In-die-Fresse-Hauen- und Aufsteigersport. Seine gewissen Kargheit überwindet der Roman durch Kopfgeburten beim Leser mit Assoziationen zu Filmen wie „Fight Club“ oder Kubricks „A Clockwork Orange“ vor dem Hintergrund einer neugotischen Campus-Idylle.

Die Entdeckung des neuen, männlichen Manns

„Der Club“ ist ein Männerroman mit Blut, Schweiß, wenig Tränen und ein bisschen Sperma. Aber er vollzieht gleichzeitig die Emanzipation von jeglichen Männlichkeitsritualen und skizziert so etwas Wunderbares: den neuen, männlichen Mann.
Und was den Freundschaftsbegriff anbelangt: Von Kameradschaft befreit feiert „Der Club“ Freundschaft als Mut vor dem Freund, als menschlichen Beistand, als Mut auch auszusteigen.   


Takis Würger: „Der Club“ (Kein & Aber, 240 Seiten, geb., 22 Euro)
Heute, Lesung 20 Uhr (Bar ab 19 Uhr), Literaturhaus, Salvatorplatz, 10 Euro: Texte, Töne & Getränke mit Fatma Aydemir, Nava Ebrahimi und Takis Würger

 

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