Unaufhaltsam nach oben

Der Schauspieler Javier Bardem hat sein unglaubliches Potenzial langsam entwickelt und wurde nun von der Academy belohnt. Ein Portrait des ersten spanischen Oscar-Preisträgers.
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Der Schauspieler Javier Bardem hat sein unglaubliches Potenzial langsam entwickelt und wurde nun von der Academy belohnt. Ein Portrait des ersten spanischen Oscar-Preisträgers.

"Mama, ich bin nervös“, gestand Javier Bardem seiner Mutter Pilar in der ersten Reihe des Kodak Theatre, gleich neben dem diabolisch grinsenden Jack Nicholson, als sich bei der Oscar- Gala sein Moment der Wahrheit näherte, die Prämierung der besten Nebenrolle. „Das braucht du nicht zu sein, du bekommst ihn ja ohnehin nicht“, beruhigte die große spanische Schauspielerin ihren Sohn – und lag daneben.

Der erste Oscar für einen Spanier

Minuten später stand der am 1. März 1969 auf Gran Canaria geborene Bardem ganz oben, seine Darstellung als Killer im Coen-Film „No Country For Old Men“ holte den ersten Oscar für einen spanischen Schauspieler.

Brüste mit Tortilla Geschmack

Der vorläufige Höhepunkt einer Karriere, die für Bardem 1992 richtig begann, als er auf der Leinwand die Brüste von Penélope Cruz küsste und ihnen einen Geschmack nach Tortilla attestierte. „Jamón Jamón“ hieß das erotisch hochtourende Werk von Regisseur Bigas Luna, mit dem Cruz und Bardem schlagartig die populärsten Darsteller ihrer Generation in Spanien wurden. Doch ihre Entwicklung danach könnte unterschiedlicher nicht sein.

Cruz ging schon vor Jahren nach Hollywood, spielte dort als eine Art moderne Sophia Loren exotische Frauen in Filmen, die keinerlei Raum im Langzeitgedächtnis beanspruchen müssen. Ihren Marktwert steigerte sie als langjährige Lebensgefährtin von Tom Cruise. Sie wirbt für Landhausmode und Düfte, ziert mit ihrer Schwester Monica Häuserfassaden inMadrid und Barcelona. Ein Erfolg der makellosen Oberfläche.

Bardem aber, der zur Freude der spanischen Klatschpresse seit Monaten der Mann an Penélopes Seite ist, ging in die Tiefe und entwickelte sein unglaubliches schauspielerisches Potenzial Schritt für Schritt weiter. Der Rugby-Spieler ist ein Mann von beeindruckender Physis, kann aber die zärtlichsten emotionalen Schwingungen erzeugen. In Alejandro Amenabars Drama „Das Meer in mir“ benutzte er dafür nur seine riesigen, traurigen Augen. Er spielte Ramon Sampredo, der, nach einem Badeunfall in der Jugend 27 Jahre lang gelähmt, öffentlich für das Recht auf einen selbstbestimmten Tod kämpfte. Was Ramon Staat und Kirche versagten, gaben ihm schließlich Freunde: das erlösende Gift.

Metapher für ein blindwütiges Amerika

Bardem gelingt es, nur durch Sprache und Mimik die warmherzige und trotz aller Einschränkungen selbstbestimmte Figur zum unwiderstehlichen Charmeur zu machen. Dass der Film einen Oscar bekam, war zur Hälfte Bardems Verdienst. Es sind die brüchigen Charaktere, denen Bardem seinen Stempel aufdrückt: Als desillusionierter Ermittler in John Malkovichs Regiedebüt „Der Obrist und die Tänzerin“, als hoffnungsfroher Arbeitsloser im Sozialdrama „Montags in der Sonne“, als homosexueller kubanischer Dichter Reinaldo Arenas in Julian Schnabels „Before Night Falls“.

Nun lassen die Coen- Brüder Bardem als Metapher für ein blindwütiges Amerika eine Blutspur durch die Kinos ziehen. Mit diesem Killer hat Bardem privat zumindest eines gemeinsam: Er geht seinen Weg, unaufhaltsam. Volker Isfort

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