Überraschender Special-Guest: Peter Maffays Abschiedstour in München

Los geht es Punkt 20:00 Uhr bei blauem Himmel und Sonnenschein, aber trotzdem donnerts. Woher mag das kommen? Die Leinwand schafft Abhilfe: zu sehen ist ein aus verschiedenen Winkeln gefilmtes Motorrad, daher das Geräusch. Ein Schwenk nach oben zeigt den Fahrer Maffay samt seiner wunderschönen Lebensgefährtin Hendrikje Balsmeyer, die sich von hinten an die geschmeidige Lederjacke kuschelt, beide mit stylischen Rocker-Helmen und Sonnenbrillen ausgestattet. Die Band beginnt zu spielen, eine Action-Cam zeigt nun, wie der rüstige Siebenbürger, nun ohne Frau, flott durch die hinteren Absperrungen des Open-Air-Geländes am Köngisplatz braust, während Menschen auf der Bühne die Arme gen Himmel recken und rhythmisch zum Mitklatschen animieren.
Dann setzt das Schlagzeug ein und begleitet die Motorradfahrt mit knackigen Beats. Hinter den Trommeln sitzt kein geringerer als Tausendsassa Bertram Engel, in den 1970er Jahren mit seinem Bruder Thomas erfolgreich als "Gebrüder Engel“ unterwegs, Stammbesetzung bei Udo Lindenbergs Panikorchester und seit Jahrzehnten Produzent und Komponist bei Maffay. Er eröffnet auch das Konzert und ruft: "Guten Abend München! Seid ihr bereit? We love Rock´n´Roll! One two three four!“ – und schon rollt der Star des Abends auf die Bühne, steigt ab wie Clint Eastwood von seinem Gaul, gibt den Helm beim Roadie ab, breitet die Arme aus und erntet frenetischen Begrüßungsapplaus.
Sämtliche wichtigen Weggefährten
Er schnappt sich ein kabelloses Funkmikro und peitscht den ersten Hit raus: "Schatten in die Haut tätowiert“ von 1984: "Er nimmt alle seine Sachen, keiner hört sein leises Lachen. Er schließt hinter sich die Türe und die Straße hat ihn wieder. Um ihn das Dröhnen der Motoren und die Lichter die ihn blenden. Für einen Easy Rider ist der Highway nie zu Ende.“ Ein lässiger Auftakt, die Stimmung ist fabelhaft, die Akustik sowohl vorn als auch hinten einwandfrei. Maffay freut sich über den Anblick seiner fröhlichen Fans und erklärt mit leichter Wehmut den Umstand seiner Abschiedstournee: "Mir war klar, dass solch ein Tag mal kommen würde und wir ein letztes Mal unterwegs sind. Jetzt weiß ich, wie das aussieht, ich sehe drei Generationen mindestens! Ich sehe hier Fans, die uns von Anfang an begleiten, aber auch ein paar jugendliche Quereinsteiger, vermutlich heftig traumatisiert durch die Eltern. Diese Tour hat nur ein lachendes Auge, kein weinendes.“

Nicht nur im Zuschauerraum sind diese diversen Generationen zu finden, auch on Stage. Quasi alle wichtigen Weggefährten bekommen ihren Raum: Johannes Oerding. Steffi Stephan. Ken Taylor. Peter Keller. Pascal Kravetz samt Vater Jean-Jacques Kravetz, der unter anderem das Lied "Eiszeit“ komponierte und live zum stimmigen Choral der Fans darbietet. Frank Dietz, altbewährter Gitarrenmeister, der in außergewöhnlichen musikalischen Projekten mitwirkte: unter anderem mit Eric Burdon, Konstantin Wecker, Jimi Hendrix und einem aus bis heute ungeklärten Umständen gescheitertes Projekt mit Klaus Kinski als Leadsänger im Jahr 1971.
Wer fühlen will, muss hören
Special Guest Anastacia überrascht erfreut mit ihrer gelungenen AC/DC-Coverversion von "You shook me all night long“, den sie gemeinsam mit Linda Teodosiu und Peter Maffay an der Akustikgitarre bejubelt zum Besten gibt.
Maffays Sohn Yaris, der auch ganz eigene künstlerische Wege geht und daher bewusst nur beim Vornamen genannt werden möchte, damit er nicht andauernd auf seine (seit Jahren getrennten) Eltern angesprochen wird, aber seit seiner Kindheit fester Bestandteil auf Tour ist, hat inmitten zweier Herzsymbole die Worte "Mom“ und "Dad“ auf dem linken Unterarm tätowiert. Insgesamt zieren seinen Körper noch zwanzig weitere Tattoos (Stand: heute). Mehr als sein Erzeuger, mit dem er höchst emotional und herzergreifend "Freiheit, die ich meine“ singt. Dann tritt er aus dem Schatten vom Papa und stellt dem Münchner Publikum eigene Werke vor. Kürzlich erschien sein Song "Fühlen“, den er wie folgt kommentiert: "Wer fühlen will, muss hören.“
Zwischendurch laufen sämtliche Bravo-Titelseiten mit dem Konterfei des Stars über die Monitore, ein bewährtes Konzept, das bereits zur letztjährigen Show von Peter Kraus Anwendung fand, der übrigens ebenfalls mit dem Kraftrad aufs Podest gondelte. "Wir kommen aus dem vorigen Jahrhundert“, erklärt Maffay, bemerkt dann den scherzhaft mahnenden Blick eines Bandkollegen, und deckt den Fehler auf: "Äh…Jahrtausend!“

Tabaluga-Stofftiere und soziales Engagement
Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Uneingeschränkter Biernachschub ist gesichert, da Menschen mit großen Tanks auf dem Rücken durch die Reihen flanieren und für 6,80 € kühles Löwenbräu mit wenig Schaum und noch weniger Kohlensäure in diverse Motivbecher zapfen, Sammlerherzen schlagen höher. Am Merch-Stand gibt’s Tabaluga-Stofftiere, T-Shirts in Damen- und Herren-Passform, sowie die Unisex-Sweatshirts, Mützen und Turnbeutel, alle bedruckt mit wahlweise Maffay in Lederweste, Gitarre und Mikro, Maffay in gekrümmter Haltung samt einem bedruckten Kissen und der Aufschrift "We love Rock´n´Roll“, Maffay oben ohne, Maffays Autogramm mit "Ich geb euch mein Wort“ auf der Rückseite. Damit meint er, dass der Abschied von der Bühne nicht bedeutet, dass er sich komplett aus dem Business zurückzieht.
Es wäre auch wirklich arg schade, wenn er nach 55 Jahren aufhören würde. Er ist ein Vollprofi, verströmt eine ganz besondere Magie, hat treue, ihn liebende Fans – und einen Stab an phänomenalen Livemusikanten. Sein Engagement für karitative Zwecke sind kein Geheimnis, nicht nur in Rumänien hat er beispielsweise ein Erholungsheim für traumatisierte Kinder realisiert. Im Zuge der Tour hat er über die Deutsche Postcode Lotterie hohe Summen herbeigeschafft, die sämtlich für soziale Projekte wie Tafeln oder Kinderhilfe verwendet werden.
Herzen verbinden sich
Die abschließende Krönung ist selbstverständlich "Über sieben Brücken musst Du gehen“, es fließen Tränen, einige Menschen im Auditorium umarmen sich spontan, Herzen verbinden sich, Liebe liegt in der Luft. Apropos Liebe: Ein ausschlaggebender Grund für den (zumindest vorübergehenden) Abschied von der Bühne ist die fünfjährige Tochter Anouk und deren Mama, die sächsische Lehrerin Hendrikje Balsmeyer, für die der 74jährige einfach ausreichend Zeit haben möchte. Ein Grund, den jeder seiner Anhänger einsieht.