Überirdische Andacht

In München gibt es zwei neue katholische Kirchen: St. Nikolaus in Neuried und das Dominikuszentrum an der Nordheide
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In München gibt es zwei neue katholische Kirchen: St. Nikolaus in Neuried und das Dominikuszentrum an der Nordheide

Überall in Deutschland werden Gotteshäuser geschlossen und umgewidmet: In Bielefeld zog ein Restaurant in eine Kirche, in Brandenburg eine Sparkasse. Nur in München sind Kirchenschließungen noch nicht Realität. Jedenfalls nicht bei den Katholiken: Jüngst wurden zwei neue Sakralbauten im Stadtgebiet eingeweiht: St. Nikolaus in Neuried und das Dominikuszentrum an der Nordheide.

„Neuried hat durch den Hightech-Campus in Martinsried einen großen Zuzug erlebt, da wurde die mittelalterliche Kirche mit 100 Plätzen zu klein. Aber diese Neubauten werden auf längere Sicht die letzten sein“, bekennt Adelheid Utters-Adam von der Pressestelle des Erzbischöflichen Ordinariats. Beide Bauten hat Andreas Meck errichtet, der schon die Riemer Aussegnungshalle entwarf. Erneut bewies er Gespür für zeitgemäße Andachtsräume. Seine Architektur scheint die Corporate Identity der katholischen Kirche zu verkörpern.

Mit der quadratischen Kubatur und den dunkelrot changierenden Fassaden aus Torfbrandklinker sehen die Bauten nur auf den ersten Blick ähnlich aus. St. Nikolaus spricht eine schnörkellose Sprache mit klaren Formen, gegensätzlichen Materialien und einer raffinierten Lichtinszenierung. Meck setzte den weiß gekalkten Andachtsraum nach dem Prinzip barocker Zweischaligkeit in den backsteinumhüllten Baukörper ein – und schuf ein Gotteshaus, dessen Lichtwirkung überirdisch ist.

Indirektes Licht

Es dringt, abgesehen von der Eingangsfront, nur indirektes Licht von Osten und oben ein, eine Membran vor den Fenstern macht es diffus und weich. Und wie der ganz auf seine Mitte konzentrierte Komplex von Kirche, Pfarrhaus und Jugendheim zwischen Gewerbe- und Wohnbauten „mit beiden Beinen“ auf dem Acker steht, erinnert er auch an eine Burg des Glaubens. Hier hat Meck einen Nerv getroffen, wie ein Haus des Glaubens im 21. Jahrhundert aussehen kann.

Wesentlich profaner wirkt das Dominikuszentrum an der Nordheide: Der schmale, steile Andachtsraum ruft nicht nur in den Proportionen ein Gefühl der Unbehaustheit hervor. Auch das an sich eindrucksvoll dunkel leuchtende Ultramarinblau, das die Künstlerin Anna Leonie auf die Ziegel im Innenraum auftrug, erzeugt keine Geborgenheit. Hier scheint die kleine Kirche auszudrücken, was im Münchner Norden Wirklichkeit ist: Eine christliche Kirche ist in der Multikulti-Gegend an der ehemaligen Panzerwiese weniger gefragt als im durch das nahegelegene Martinsried bürgerlichen Neuried.

Die Gläubigen schwinden, Altlasten bröckeln

Die Entwicklung der Bevölkerung hat auch der Strukturplan der Diözese zur Neuordnung der „Seelsorgeräume“ im Blick: Er sieht bis 2010 die Reduzierung von 750 Gemeinden auf 47 Einzelpfarreien und Zusammenfassung zu 232 Pfarrverbänden (mit 703 Pfarreien) vor. Denn die Katholische Kirche sieht gefasst einer wenig rosigen Zukunft entgegen: „Wir dürfen dabei nicht nur auf den Priestermangel schauen, wir haben ebenso den Gläubigenmangel, einen zu erwartenden Finanzmangel, den Glaubensschwund bei den Kirchenmitgliedern und einen Bedeutungsschwund der Kirche in einer sich immer pluraler ausdifferenzierenden Gesellschaft ins Auge zu fassen.“ So steht es auf der Homepage der Diözese. Das ist so präzise in Worte gefasst, dass man sich doch Sorgen um die letzten Glaubens-Mohikaner macht.

Das Problem sei aber auch, so Utters-Adam, die „Baulast“ der 2500 Kirchen, Kapellen und Friedhofskirchen, die erhalten und erneuert werden müssen. Der gewaltige Dreikonchenbau St. Rupert etwa ist für die Bewohnerstruktur des Westends heute überdimensioniert. Die neugotische Heilig-Kreuz-Kirche am Giesinger Berg wird schon seit zehn Jahren restauriert, Baufälligkeit auch bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche: Es bröckelt an vielen Gotteshäusern. Allein die Renovierung der großen Innenstadtkirchen St. Matthäus, St. Markus und St. Lukas verschlingt 10,7 Millionen Euro. Am teuersten ist mit vier Millionen die Erneuerung der Lukaskirche – wo man schon lange auf zeitgenössische Kunst als Vehikel für den Glauben setzt.

Denn der Mitgliederschwund trifft die 68 evangelischen Pfarreien ebenso. Zuletzt haben die Protestanten 2005 eine neue Kirche gebaut: Die Sophienkirche in Riem, mit dem katholischen St. Florian Teil der Ökomene. Im Münchner Norden ist der Anteil der evangelischen Bevölkerung zurückgegangen. Und weil man in Zukunft, so Heinz Wessely vom Kirchengemeindeamt, den Sanierungsbedarf der Gebäude nicht mehr decken könne, will man in einem „Immobiliensicherungsprogramm“ eine Bestandsaufnahme aller Gottes- und Gemeindehäuser machen.

Roberta De Righi

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