Tuntig oder tragisch
„Brüno“, der „Borat“-Nachfolger, ist nicht schwulenfeindlich, urteilt der Münchner Stadtrat Thomas Niederbühl. Er ortet das Problem der Diskriminierung im restlichen Kinoprogramm
Geschmacksgrenzen kennt er keine, Provokation ist sein Geschäft: In den Masken von Ali. G. und des kasachischen Reporters Borat hat sich der Brite Sacha Baron Cohen zum gefürchtet-sten Komiker weltweit aufgeschwungen und sogar die internationale Diplomatie beschäftigt.
Am 9. Juli kehrt Cohen als homosexueller österreichischer Modejournalist Brüno, der unbedingt ein weltbekannter Star werden möchte, auf die Leinwand zurück. Grund genug für amerikanische Homosexuellen-Verbände, sich schon im Vorfeld über den Film „Brüno“ zu beschweren. Doch ist der Film wirklich schwulenfeindlich?
90 Minuten voller Gelächter
Zur Münchner Pressevorführung begleitete Stadtrat Thomas Niederbühl (Rosa Liste) die AZ und traf dort zufällig auf Filmfest-Chef Andreas Ströhl. Nach 90 Minuten voller Gelächter sind sich beide einig: sehr amüsant, auch wenn Ströhl „Borat“ besser fand. „Ich habe mich total amüsiert“, sagt Thomas Niederbühl, „vor allem bei den schonungslosen Angriffen auf die Modewelt und den ganzen Medien-Starkult.“
Dass es zu Protesten gegen den Film in der Münchner Schwulenszene kommen könnte, glaubt Niederbühl nicht, aber kontrovers werde der Film sicherlich diskutiert. „Das war auch bei Bully Herbigs ,(T)Raumschiff Surprise’ so“, sagt Niederbühl. „Schließlich gibt es im Kino nach wie vor nur zwei schwule Rollenmodelle: extrem exaltiert als Tunte, oder in der meist mit dem Tod endenden, tragischen Rolle.“
Andere Filme sind diskriminierender
Auch „Brüno“ bedient alle Vorurteile gegenüber Schwulen. Der Film zeigt sie als überkandidelte Fashion-Queens, die extrem seltsamen Sex haben, allerdings in einem dermaßen überdrehten satirischen Rahmen, dass eigentlich auch homophobe Kinogänger keine Bestätigung ihrer Einstellungen erfahren dürften. „Der passende Film zum CSD“, urteilt Niederbühl, den es auch nicht wundern würde, wenn die ein oder andere Film-Kostümierung stilprägend wirken würde.
Probleme aber hat der Stadtrat mit dem Kinoprogramm insgesamt: „Ein Actionheld, Agent oder normaler Held, der selbstverständlich schwul ist, kommt auf der Leinwand nicht vor.“ Niederbühl selbst wurde Mitte der 80er Jahre auch durch den oscar-gekrönten Dokumentarfilm „The Times Of Harvey Milk“ über den ersten homosexuellen Stadtteilbürgermeister in San Francisco elektrisiert: „Damals allerdings hätte ich mir nicht vorstellen können, dass auch ich einmal politische Arbeit im Münchner Stadtrat leisten würde.“
Durch seine Aufklärungsarbeit an Schulen weiß Niederbühl, wie prägend die Kinobilder für das Rollenverständnis von Jugendlichen sind: „Die sind häufig der Meinung, dass Schwule immer so sind, wie es Bully in ,(T)Raumschiff Surprise’ gezeigt hat. Ein Coming Out eines Jugendlichen gegenüber seinen Klassenkameraden ist in dem Umfeld heute genauso schwer wie vor Jahrzehnten.“ Besonders stört Niederbühl, dass „schwul“ in den letzten Jahren in der Jugendsprache ein stark abwertendes Adjektiv jenseits der ursprünglichen Bedeutung geworden ist. Da wird – bei allem Gelächter im Kinosaal – sicherlich auch „Brüno“ nicht abhelfen können.
Volker Isfort
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