Triumph der großen Geste
Eng wird sie umschlungen, dann wieder heftig weggestoßen. Theo Hutchcraft kann nicht von ihr lassen, spielt mit ihr, senkt demütig den Kopf, nur um sie wenig später rabiat in die Luft zu schleudern und dann wieder brutal in den Boden zu rammen. Doch die Tanzpartnerin des Hurts-Sängers ist keine durcheinander gewirbelte junge Dame, sondern die Mikrofonstange. Für den Briten ist sie in der wie so oft brütend heißen, ausverkauften Tonhalle kein bloßer Fetisch, sondern Teil der Inszenierung.
Es ist ein Abend der großen Geste, alles wird aufgefahren, um dem 80er-Jahre Pathos zu frönen. Das fängt schon beim Lamellen-Bühnenhintergrundprospekt an, der die gleißende Gegenlicht-Ästhetik der Tony Scott-„Top Gun”-Filmära aufgreift. Weiter geht’s mit der strengen Schwarz/Weiß-Kleiderordnung, bei der Hutchcraft ein wenig an einen Max Raabe ohne Ironie-Entgleisungen, aber mit wesentlich ausschweifenderen Gesten erinnert.
Musikalisch dominiert ein melancholisch verhangener Bombast-Synthiesound, wahlweise feierlich unterstützt von einem Tenor oder einer Violinistin. Immer wenn das Show-Konzept von Hurts an der eigenen Ergriffenheit zu ersticken droht, sorgt der inbrünstig singende Hutchcraft für Abwechslung. Da wirft er weiße Rosen in die begeisterte Menge, zeigt ein paar Deutsch-Kenntnisse („tausend, tausend Dank”), gedenkt der stilbildenden Kylie Minogue („Confide in Me”) oder verwandelt die Tonhalle in ein frenetisch mitklatschendes Disco-Festzelt („Sunday”).
Einen fiesen Ironie-Bruch haben sich Hurts aber für das Ende aufgehoben: der Song „Stay”, den Til Schweiger unlängst für seinen „Kokowääh”-Kinohit verwendete, fordert die Fans nicht zum Bleiben auf. Im Gegenteil. Nach nur einer Zugabe und 60 Minuten Spielzeit heißt es dann für alle nur noch knallhart: „Go”.