Traurige Tropen
Im Sommer geht der Direktor des Museums für Völkerkunde in Ruhestand. Es wäre die perfekte Gelegenheit, diese verstaubte und konzeptionell völlig veraltete Sammlung neu auszurichten
Aus dem Café im Erdgeschoss steigt der Geruch von kaltem Essen auf. Es riecht nach Staub und Bohnerwachs. Die Vitrinen sind vollgestopft und wenig informativ beschriftet. Kein Wunder, dass sich in dieser Rumpelkammer an einem normalen Nachmittag Besucher und Aufseher die Waage halten.
Wir befinden uns im Zeitalter der Globalisierung. Die Auseinandersetzung mit dem Fremden wird wichtiger. Indigene Kulturen sind bedroht: Ein Völkerkundemuseum müsste eigentlich im Zentrum der Debatten und des Interesses stehen.
Das Haus an der Maximilianstraße tut es nicht. Mit 150000 Objekten ist es Deutschlands zweitgrößte ethnographische Sammlung. Seit 1998 wird sie saniert und modernisiert. Davon ist nicht viel zu merken, weil das ganze Konzept verstaubt wirkt.
In der Islam-Abteilung sind Teppiche und ein Gartenpavillon nebst pakistanischem Wohnzimmer zu sehen. Das ist dieser Religion und ihrer Kultur so angemessen, als würde das Christentum im Völkerkundemuseum von Abu Dhabi durch ein Zirbel-stüberl repräsentiert.
Im zweiten Stock klebt im Eingang zur Afrika-Abteilung das Poster „Noire et Blanche“ des Surrealisten Man Ray. Das 1926 entstandene Foto einer Frau mit afrikanischer Maske ist ein berühmtes Beispiel für die Auseinandersetzung der frühen Moderne mit der Stammeskunst. Leider bleibt dieser Zusammenhang in der Ausstellung unerklärt: Die Gegenstände sind dort lediglich Dokumente exotischer Bräuche, die dem Besucher aber auch nicht nahe gebracht werden.
Schlecht aufgestellt
In den USA oder dem spektakulären Neubau des Musée du Quai Branly in Paris geht man mit Objekten aus Afrika oder der Südsee respektvoller um. Stammeskunst wird dort ansprechend und effektvoll beleuchtet als Kunst präsentiert. Der völkerkundliche Zusammenhang wird daneben durch Karten, Dokumente und Videos erläutert.
Das Münchner Museum beschreitet in der Dauerausstellung „Weiter als der Horizont“ im westlichen Seitenflügel einen ähnlichen Weg. Nur: Sind die Benin-Bronzen im Hauptgebäude keine Kunst? Zur Verwirrung sind im Afrika-Saal schwache Werke eines zeitgenössischen Künstlers darunter gemischt. Der Einfluss der Stammeskunst auf Europa wird auch hier unzureichend dargestellt: Der „Blaue Reiter“-Almanach liegt geschlossen in einer Vitrine, die erläuternde Tafel konzentriert sich auf die Verärgerung des seinerzeitigen Museumschefs über einen fehlenden Bildnachweis, was nach 100 Jahren keinen mehr interessiert.
Offenbar ist auch das Personal mit der Situation unzufrieden. Anders lässt sich die durchs ganze Haus ziehende Installation einer holländischen Künstlerin kaum verstehen. Ihre Fotos nehmen die muffige Atmosphäre aufs Korn. In einem Video lesen Reinigungskräfte aus alten Reiseberichten vor und parodieren so den ethnografischen Ansatz des Hauses. Aber da wäre es besser, das antiquierte Völkerkundemuseum in ein zeitgemäßes Haus für außereuropäische Kunst zu verwandeln. Die reichen Bestände gäben es her.
Auch Kunstminister Wolfgang Heubisch hat gesprächsweise schon den traurigen Zustand des Museums beklagt. Er könnte handeln: Im Sommer geht der derzeitige Leiter Claudius Müller in Pension. Das Ministerium hat bei der diskreten Neubesetzung solcher Posten vielfach eine glückliche Hand bewiesen. Bei außereuropäischer Kunst ist Deutschland allerdings Provinz: Deshalb wäre es gut, sich nicht auf Initiativbewerbungen zu verlassen und die Stelle international auszuschreiben. Noch ist es nicht zu spät.
Robert Braunmüller
Nicht schmollen
Museumsmenschen jammern gern über fehlendes Geld. Das am Hofgarten beengt untergebrachte Theatermuseum beweist, wie man mit wenig Personal und Mitteln trotzdem Besucher lockt: Es tauscht mit vergleichbaren Sammlungen Wechselausstellungen aus. In München gäbe es eine Reihe auf Stammeskunst spezialisierte Sammler. Auch hier scheut das Völkerkundemuseum die Zusammenarbeit, wie sie im Ausland gang und gäbe ist. Seit der „Dschingis Khan“-Schau von 2005 gab es an der Maximilianstraße keine Ausstellung mit Breitenwirkung mehr. Das Museum wird nie spektakuläre Zahlen wie die Sammlung Brandhorst vorweisen. Der beleidigte Rückzug aus der Öffentlichkeit ist allerdings aber auch der falsche Weg.
RBR