Till Hofmann: "Es brodelt in der Szene"

München - AZ-Interview mit Till Hofmann, dem Geschäftsführer des Lustspielhaus, über John Cleese, Lobbyarbeit und dringend nötige Langzeitförderungen für die Kultur.
AZ: Herr Hofmann, wir müssen zunächst über die Lach- und Schießgesellschaft reden. Wie sehr blutet noch Ihr Herz, nachdem Sie im vergangenen Herbst nach mehr als 20 Jahren die Geschäftsführung des traditionsreichen Ladens abgegeben haben?
TILL HOFMANN: Die Blutung wird gestillt durch den Ausblick nach vorne.
Auch das Büro in der Ursulastraße mussten Sie mit Ihrer Mannschaft räumen.
Wir sind erst mal rüber in die Galerie Truk Tschechtarow in der Haimhauserstraße gezogen.
Till Hofmann: 50 Prozent Auslastung werden kommen
Für Anfang Februar haben Sie im Lustspielhaus einen Neustart ausgerufen - obwohl Bayerns Staatsminister für Wissenschaft und Kunst bislang an der Regelung festhält, nach der Theater nur mit 25-prozentiger Auslastung bespielt werden dürfen, also Lichtjahre entfernt von jeglicher Rentabilität. Haben Sie Bernd Sibler mal persönlich erlebt?
Vergangene Woche gab es einen Runden Tisch, in virtueller Form. Diese 25 Prozent waren halt von Anfang an höchst willkürlich festgelegt worden, und mit steigender Inzidenz glaubt man nun vielleicht, aus dieser Nummer nicht mehr rauszukommen. Die Erhöhung auf 50 Prozent wird kommen, aber ich glaube, das scheitert derzeit eher am Gesundheitsministerium. Die haben offenbar empirische Daten, dass man sich in der Gastronomie eher ab- als ansteckt.
25 Prozent Auslastung: Ungerechte Behandlung der Kultur
Anders als mit schwarzem Humor ist die Situation kaum zu ertragen.
Das ist nach wie vor absurd. Man soll ja niemanden gegeneinander ausspielen, aber es ist halt ein Bullshit. Serge Dorny von der Staatsoper hat das bei dem Runden Tisch schön beschrieben: "Wir sitzen mit 400 Leuten in der Staatsoper, danach gehen wir rüber ins Brenner - da sitzen wir dann auch mit 400 Leuten, aber auf einem Viertel der Fläche und ohne Maske." Gastro Vollauslastung, Kultur 25 Prozent: Es ist absurd. Wie hat Gesundheitsminister Holetschek gesagt: "Wir haben das damals so geschichtet. Punkt."
Und von diesem Standpunkt glaubt das Gesundheitsministerium nicht mehr herunter kommen zu können?
Ich glaube, dass man bald davon herunter kommen muss, weil es brodelt in der Szene.
Hofmann: Wir brauchen ein langfristiges Konzept
Wobei der Höhepunkt der Omikron-Welle erst Mitte Februar erwartet wird.
Die Aussage war, dass man jetzt die zehn Tage Hospitalisierung abwarten will, um dann die Bedingungen für die Kultur zu modifizieren. Aber ob die Kultur eine Woche früher oder später aufmacht, ist völlig wurscht. Es geht eher darum, dass sie ein Konzept entwickeln, wie man das nun in den nächsten zwei Jahren begleitet und auch die Struktur all der kleinen Läden stützt. Ich glaube, dass die Erholung der Kultur genauso lange dauert wie die Pandemie gedauert hat. Wenn wir vom Lustspielhaus oder auch die Kollegen vom Schlachthof sagen "Es rechnet sich bei einer Auslastung von 70 Prozent", dann kann man sich ausrechnen, was passiert, wenn keine Kulturförderung fließt. Die Leute kommen nicht wieder von heute auf morgen. Für die Bühnen, Kinos und Clubs wäre es viel besser, wenn vom Ministerpräsidenten perspektivisch eine Ansage käme wie "Wir sehen auch, dass man da die nächsten zwei, drei Jahre reinbuttern muss". Nicht immer nur von einer Woche auf die andere denken. Eher Langstreckenlauf als Sprint. Damit die Struktur erhalten bleibt. Es sind ja auch nicht so viele Läden: Wenn man das in Kabarett und Kleinkunst zusammenzählt, reden wir in Bayern vielleicht von 20 bis 30 Läden, die 150 bis 250 Mal im Jahr spielen und die Kultur bereichern. Mehr sind das nicht mehr.
Hofmann: Es ist gut für die Psyche, wenn einfach wieder gespielt wird
Gibt es schon Signale aus der Staatskanzlei was diese langfristigen Förderungen angeht?
Das muss schon auch von uns aus der Kultur kommen - weil wir offensichtlich nicht die Lobby haben wie die Dehoga, der Gaststättenverband, der offenbar auf einer ganz anderen Ebene Einfluss hat.
Nichtsdestotrotz sperren Sie am 4. Februar das Lustspielhaus wieder auf, für nur 60 oder 70 Leute - warum?
Weil ich fürchte, dass wir sonst noch mehr Leute verlieren. Und weil den Künstlern die Auftritte ja überall wegbrechen. Und weil es auch gut für die Psyche ist, wenn einfach wieder gespielt wird.
Im März soll es auch an einer weiteren Spielstätte weitergehen, im Leo 17, sowie im Circus Krone - alles mehr oder weniger spontan, je nachdem, welche Prozentregelung gerade gilt?
Ich bin optimistisch, dass wir bald bei 50-prozentiger Auslastung spielen dürfen. Ich will jetzt einfach anfangen und mit Abstand spielen.
Freiluft-Kabarettserie für den Sommer geplant
Wie sehen die Planungen für den Sommer aus?
Im Innenhof des Deutschen Museums ist ja Baustelle. Wir schauen gerade, ob wir zumindest auf den kleinen Hof im Südteil des Museums können, für eine kleinere Kabarettserie. Mit dem Eulenspiegel Flying Circus bespielen wir heuer eher die Schwabinger Plätze: Seidlvilla und Schloss Suresnes in der Katholischen Akademie. An ein paar Orten in Ober- und Niederbayern wollen wir auch wieder spielen, aber auch wieder mehr in den Läden, so gut es eben geht, zum Beispiel die Eigenproduktion "Bonnie & Clyde" im Lustspielhaus.
Und dann kommt am 20. Juni wieder der legendäre Monty Python John Cleese in die Philharmonie. Zu dem scheinen Sie einen guten Draht zu haben.
Der hat sich hier ganz wohl gefühlt. Aber momentan hat er gerade eher einen Draht nach Wien: Da ist er im Sommer mit dem Kollegen Michael Niavarani beim Theater im Park aufgetreten. Das war ziemlich super.