Thomas Gottschalk und 24 Jahre "Wetten, dass..."
Schon länger war klar, dass Gottschalk mit seiner Sendung die besten Zeiten hinter sich hatte – und trotzdem: Der Mann, der einmal der Punk der Unterhaltung war, fasziniert bis zuletzt.
München - Mindestens seit er 50 ist, wird Thomas Gottschalk immer wieder gefragt, wie lange er das noch machen will. Meistens hatte er einen Spruch parat wie „Solange die Maske meine Frisur noch hinkriegt“. Zum 60sten im vergangenen Jahr hörte sich das Ganze schon etwas anders an: „Ich bin nicht unsterblich, auch wenn ich überraschenderweise so aussehe.“
Er war müde geworden, der ewige Sprücheklopfer, und dann passierte in der Sendung vom 4. Dezember das Unglück: Wettkandidat Samuel Koch verunglückte live, seitdem ist der junge Mann gelähmt. Für Gottschalk war das so etwas wie der Sündenfall, denn Leichtigkeit, das war immer sein höchstes Gebot gewesen. Und offenbar war der Unfall für den ewigen Clown der Anstoß, sich loseisen zu können.
„Für mich liegt auf ,Wetten, dass’ jetzt einfach ein Schatten“, sagte er bei seiner Abtrittsrede (siehe links). Vorher hatte er Samuel Koch im Krankenhaus besucht. Doch Gottschalk verkündete all das nicht in tränenreicher RTL-Manier, sondern schob gleich einen Gag hinterher. „Obwohl es mich persönlich schon ein bisschen ärgert, dass Mubarak mich knapp geschlagen hat.“ Die Sommer-Show auf Mallorca macht er noch, im Herbst feiert das ZDF dann in drei Sendungen 30 Jahre „Wetten, dass“. Schon vor Weihnachten hat er laut ZDF intern seinen Abschied erklärt. ZDF-Intendant Markus Schächter kündigt auch sofort an, man werde mit Gottschalk an anderen Sendeformaten arbeiten. Trotzdem: Der Abschied von „Wetten, dass“ ist das Ende einer Ära in der deutschen Fernsehunterhaltung.
Der Franke, Jahrgang 1950, war mal so etwas wie ein Punk, er wirbelte Staub auf in der sorgfältig durchgeprobten, sauberen Nachkriegsunterhaltung. Gottschalk war flapsig, locker, schon bei seinen Anfängen im Radio. Als viele im Fernsehen nur im Schlips auftraten, saß er in der ZDF-Sendung „Na Sowas“ in Turnschuhen neben Genscher und traute sich, dumme Fragen zu stellen. Im September 1987 folgte er auf Frank Elstner bei „Wetten, dass“, 20 Millionen Menschen sahen seine Premiere. Auch Showerfinder Elstner gehörte zu den Fernsehmachern, von denen man beim Moderieren immer das Gefühl hatte, dass das Arbeit ist – bei Gottschalk war es Spaß. Er sprach mit Tina Turner, als säßen sie gemeinsam an der Theke und gab dem Bierfahrer das Gefühl, dass seine Wette mindestens so wichtig ist wie der Auftritt von Michael Jackson. Sein Lausbubencharme war neu und frisch, und wenn er ein Kind vor laufender Kamera das Vaterunser aufsagen ließ, dann taugte er sogar zum Skandal.
Zwischendurch ließ sich Gottschalk zu den Privaten locken, Wolfgang Lippert mühte sich zwei Jahre bei „Wetten, dass“, bis man Gottschalk 1994 zurückholte. Danach geriet er fast zum Peter Pan der Fernsehens. Er behielt dieselbe Frisur wie in den 80ern, er kam auch mit 50 noch in Lederhose und Krokoschuhen und glotzte den Top- Models in den Ausschnitt. Doch anderswo blieb die Zeit nicht stehen. Bei Dieter Bohlens „DSDS“ erlitten die Kandidaten unterhaltsame Nervenzusammenbrüche, die Stars hießen plötzlich Daniel Küblböck, konnten nicht singen, aßen dafür aber Kakerlaken im Dschungel. Mehrmals sprach Gottschalk damals seinen Frust aus und kokettierte mit dem Ausstieg.
Den klassischen „Wetten, dass“-Abend mit drei Generationen vor einem Fernseher gibt es heute immer seltener. Gottschalks Quoten lagen zuletzt bei knapp zehn Millionen, im vergangenen Jahr waren es einmal 7,75 – das ist selbst für einen Tatort nicht brillant. Dafür sahen neun Millionen das diesjährigeDschungelfinale. Gottschalks große Herausforderung, das sagten viele in der Branche schon vor fünf Jahren, sei es, einen würdigen Abgang zu schaffen.
Den hat er nun souverän hingelegt. Er hinterlässt eine ganze Generation, die mit ihm groß wurde, mit ihm gelacht hat und sich oft auf ihn Freude hat. Und er hinterlässt ein ratloses ZDF. Intendant Schächter kündigte an, dass „Wetten, dass“ weiter gehe. Mit wemund wie steht in den Sternen (siehe Seite 3). Gottschalk wurde natürlich schonXMal nach einem Nachfolger gefragt, Namen nannte er nie. Er hält es mit dem Understatement eines echten Stars: „Alle dachten bei Hans- Joachim Kulenkampffs Abtritt, niemand könne ihn ersetzen. Aber niemand hat seinen Fernseher verkauft, als der Mann gestorben ist. Jede Zeit hat ihre Helden.“