Thomas Gottschalk: Der wankende König
Sechs Gründe, warum Thomas Gottschalk mit seiner ZDF-Show "Wetten, dass?" den Zenit seiner TV-Macht überschritten hat. Am Samstag moderiert er die Sendung aus Stuttgart.
Zwei Quotengaranten gibt es noch in der TV-Welt: Fußball und Gottschalk. Doch der Samstagabend-Klassiker „Wetten, dass?“ befinden sich auf steter Talfahrt. Anfang November riss die Sendung zum ersten Mal die magische Zehn-Millionen–Grenze, nur 9,68 Millionen Zuschauer schalteten ein. Ist das der Beginn des Untergangs? Die AZ nennt sechs Gründe, warum sich die Show mittlerweile überholt hat.
1. FAMILIENMYTHOS
„Wetten, dass?“ ist die letzte einheitsstiftende Show, Gottschalk will sie alle – vom Enkel bis zur Oma. Doch auch „Wetten, dass?“ verliert den Familienmythos, das Genre Familien-Fernsehen ist nicht mehr zeitgemäß. Die Show gucken vor allem Senioren und Kinder – bis sie alt genug sind für den eigenen Computer im Jugendzimmer. Junge Menschen lassen sich ihre Zeitplanung einfach nicht mehr vom TV-Programm diktieren – schon gar nicht von einem 58-jährigen TV-Gaukler. Das weiß auch die Konkurrenz, die neuerdings munter Namhaftes gegen Gottschalk sendet.
2. LAHME WETTEN
Die Wetten quälen sich manchmal so langsam dahin wie die Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Zwei Bürokollegen schossen sich in der vergangenen Sendung Radiergummis mittels einem Locher in den Mund. Und ein Sechsjähriger sagte alle 43 US-Präsidenten auf. Man ist ja schon froh, wenn keine Bagger oder Gabelstapler zum Einsatz kommen. Und damit ja keine Spontaneität die Sendung belebt, ist die Stadtwette seit zwei Sendungen ganz gestrichen. „Das ist der Wunsch der Zuschauer“, behauptet ZDF-Sprecher Peter Gruhne. Gemunkelt wird, hohe Kosten und Aufwand seien der wahre Grund.
3. ALBERNE WETTEINSÄTZE
Früher gab’s noch sinnvolle Wetteinsätze – das Bekochen von Bedürftigen, die legendäre Spendenaktion von Karlheinz Böhm. Gerne erinnern wir uns auch an die Länderspiel-Moderation von Günter Netzer im goldenen Anzug. Stattdessen gibt’s heute Handarbeit – Olympia-Sieger Matthias Steiner musste in der vergangenen Show die US-Flagge sticken. Selbst dem Kameramann war’s zu langweilig und der stickende Steiner ward nie mehr gesehen.
4. PROMO FÜR PROMIS
Zugegeben, bisweilen hat Gottschalk tatsächlich hochkarätige Gäste in der Show. Und die Stars nutzen die Sendung clever. Rasch für das aktuelle Projekt geworben und dann schnell wieder weg. Vor allem die internationalen Promis absolvieren ihren Promoauftritt nach diesem Muster. Gespräche über den neuen Film oder das neue Album hinaus kann es so nicht geben. Nach wie viel Minuten wohl Nicole Kidman am Samstag Gottschalks Couch verlassen wird? Für ihr neues 130-Millionen-Dollar Epos „Australia“ – in den USA der Flop des Jahres – wird sich das deutsche Publikum ohnehin nicht sehr interessieren. Und für Gottschalks Anmachversuche dürfte sich Frau Kidman nicht erwärmen. Die Show stiehlt ihm ein anderer. Kidman hat Filmpartner Hugh Jackman mit dabei. Der wurde jüngst vom „People“-Magazin zum „Sexiest Man“ der Welt gekührt.
5. PEINLICHE ZOTEN
Jedes weibliche Wesen – am liebsten mit, aber auch ohne die nötige Dekolleté-Tiefe – wird von „Hand-aufs-Knie“-Gottschalk gnadenlos befummelt. Er ist der Meister der Altherrenwitze, so beim Orkantief-Hinweis: „Emma bläst – das wird Alice Schwarzer gar nicht gefallen.“ Gottschalk macht auch überhaupt keinen Hehl daraus, dass er sich für das Gespräch mit den Gästen nur mäßig interessiert und sich überhaupt nicht vorbereitet. „Hören Sie überhaupt zu“, musste er sich in der Sendung schon mal fragen lassen. „Nein“, wäre die ehrliche Antwort gewesen. „Es geht mir darum, selbst möglichst viele Pointen zu setzen.“
6. MUSIKGESCHMACK
Herbert Grönemeyer hat am Samstag seinen elften „Wetten, dass?“-Auftritt. Dazu gibt’s Tom Jones – nur das gesetztere Publikum dürfte beide Herren mit Interesse verfolgen. Gerne lässt Gottschalk seine Idole ganze Medleys ihrer größten Hits präsentieren – ihrer Hits vor 30 Jahren aus Gottschalks Beat-Jugend. Manchmal hat er auch aktuell angesagte Musiker zu Gast, so wie Coldplay am 24. Januar. Die Oma wird es Gottschalk zwar verzeihen, dass das neue Album der englischen Band dann schon etliche Monate auf dem Markt ist. Alle anderen aber können die im Radio totgenudelten Songs dann nicht mehr hören.
Angelika Kahl