Teutonen am Nullpunkt

Deutsche Musik versagt nicht nur beim Grand Prix – sie ist nur sehr selten exportfähig. Made in Germany ist auf dem Popsektor seit Jahrzehnten ein international anerkanntes Gütesiegel für Langeweile und fehlende Originalität. Aber es gibt Ausnahmen: Großraumbeschaller Scooter stießen letzte Woche in England (!) Madonna vom Thron der Charts.
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Deutsche Musik versagt nicht nur beim Grand Prix – sie ist nur sehr selten exportfähig. Made in Germany ist auf dem Popsektor seit Jahrzehnten ein international anerkanntes Gütesiegel für Langeweile und fehlende Originalität. Aber es gibt Ausnahmen: Großraumbeschaller Scooter stießen letzte Woche in England (!) Madonna vom Thron der Charts.

Das kann doch nicht sein! No Angels letzter? Der Rest von Europa hat doch keine Ahnung.“ Blankes Entsetzen über das desaströse Abschneiden der vier Mädels beim Eurovision Song Contest herrscht bei den Fans in den Internet-Foren. Dieser letzte Platz aber war gerecht. Dass die No Angels mit ihrem Song „Disappear“ beim Grand Prix im künstlerischen Nichts verschwanden und nicht einmal Gnadenpunkte erhielten (Bulgariens Nationalismuswertung einmal abgezogen), entspricht nicht nur ihrem eigenen Niveau, sondern spiegelt exakt die Exportfähigkeit deutscher Unterhaltungskultur wieder. Made in Germany ist auf dem Popsektor seit Jahrzehnten ein international anerkanntes Gütesiegel für Langeweile und fehlende Originalität – einige erstaunliche Beispiele ausgenommen. Rammstein lockt selbst in New York tausende Freunde der Brachialkultur in die Hallen, Tokio Hotel begeistert international die Fans, die größtenteils noch zu jung für eine Zahnspange sind und die Großraumbeschaller Scooter stießen letzte Woche in England (!) Madonna vom Thron der Charts.

Exportschlager Wagner und Beethoven

Doch während hierzulande jeder Teenager Dutzende amerikanischer und britischer Popbands aufzählen könnte, würde eine Umfrage in Manchester oder Los Angeles nach deutscher Musik wohl kaum Nennenswertes ergeben. Exportschlager sind und bleiben Wagner und Beethoven, von einer Hamburger Schule oder dem Berliner Aggro-Rap bekommt die Jugend außerhalb des deutschen Sprachraums nichts mit. Ältere Semester erinnern sich allenfalls an den Krautrock und die Neubauten, den Charme der deutschen Avantgarde, der letztlich ein Klischee bediente, das bis heute gilt: Deutsch ist schwer(fällig), ein Attribut, das für die Jugendkultur nur geringe Attraktivität besitzt. Und in keinem kulturellen Segment ist das Image so wichtig wie bei der Popmusik.

Die Briten haben seit den Beatles ihre Ausnahmestellung in der europäischen Popmusik verteidigt, in Deutschland – immerhin neben den USA, Japan und England der viertgrößte Musikmarkt der Welt – hat sich nie eine vergleichsweise lebendige Szene etabliert.

So deutsch, humorlos und sperrig wie möglich!

Heimische Kinoproduzenten kennen das Spiel. Um einen Erfolg im Ausland zu erzielen, sind Nazigeschichten oder Stasidramen keineswegs hinderlich. Wie also soll man den nationalen Song-Contest-Teilnehmer der Zukunft am Reißbrett designen? So deutsch, humorlos und sperrig wie möglich!

Wenigstens die Briten würden eine so plakative Selbstironie zu schätzen wissen. Und wenn der singende Germane doch punktlos abgestraft aus der musikalischen Schlacht heimkehrt, so kann man ihn damit trösten, dass beim Grand Prix alle verlieren. Seit ABBA hat kein Sieger mehr eine wirkliche internationale Karriere starten können.

vi

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