"Tatort": Unterrock im Giftschrank
Der „Tatort“ glänzt im Sommer jeden Sonntag mit einer Wiederholung, aber es gibt auch Fälle, die nach der Erstausstrahlung nie wieder gezeigt wurden, aus ganz unterschiedlichen Gründen
Einen Tag ohne „Tatort“ – den gibt’s selten. An fast jedem Abend der Woche läuft in den 3. Programmen einer der Krimiklassiker als Wiederholung. Selbst im Ersten tauchen im Sommer sonntags um 20.15 Uhr alte „Tatort“-Folgen auf. „Sie tragen ja einen Anzug auch nicht nur einmal“, sagt Gebhard Henke, WDR-Fernsehspielchef und „Tatort“-Koordinator.
Diesen Sonntag sind die HR-Kommissare Andrea Sawatzki und Jörg Schüttauf dran: „Der frühe Abschied“ heißt ihr Fall von 2008. Bei der Auswahl der Filme fürs Sommerloch spielen oft inhaltliche Aspekte eine Rolle. „Sie können einen Krimi, der im Karneval oder an Weihnachten spielt, ja schlecht im August zeigen“, sagt Henke. Es gibt aber auch Fälle, die werden nach ihrer Erstsendung nie mehr wiederholt. Seit Beginn der Reihe sind immer wieder Folgen im „Giftschrank“ gelandet. Aus ganz unterschiedlichen Gründen, wie die Betreiber der „tatort-fundus.de“-Seite wissen.
Neuester Zugang im „Tatort“-Giftschrank ist der NDR-Krimi „Wem Ehre gebührt“ (Ausstrahlung 23.12.2007), in dem Maria Furtwängler gegen Aleviten ermittelt. Die alevitische Glaubensgemeinschaft sah sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt, weil der Täter ein Familienvater war, der seine Tochter sexuell missbrauchte. Inzest gehört zu den jahrhundertealten Vorurteilen gegenüber den Aleviten. Bereits vor der Erstausstrahlung kam es zu Großdemonstrationen, es wurde sogar Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Nun soll der Krimi nicht mehr gezeigt werden – auch nicht ausschnittsweise.
BR-„Tatort“ mit Walter Sedlmayr wurde 20 Jahre nicht gezeigt
Gleich zwei Folgen der ehemaligen Berliner Ermittler Roiter (Winfried Glatzeder) und Zorrowski (Robinson Reichel) haben einen Sperrvermerk. In " „Tod im Jaguar“(1996) wird ein einflussreicher jüdischer Geschäftsmann in die Luft gesprengt. Für die wenig differenzierte Darstellung „jüdischer Geschäftemacher“ hagelte es jede Menge Kritik. „Antijüdische Passagen“ in der missverständlichen Pressemitteilung des SFB sorgten zusätzlich für großen Unmut. Über „Krokodilwächter“ (1996) erregte sich indes die Politik. „Brutal, sexistisch und menschenverachtend“ sei die Geschichte über Menschenhandel und Prostitution.
Im HR-Krimi "Mit nackten Füßen“ (1980) mit Kommissar Sander (Volker Kraeft) wird der Eindruck erweckt, Epileptiker neigen überdurchschnittlich zur Gewaltbereitschaft. Außerdem wird behauptet, Epilepsie sei eine Geisteskrankheit, was damals bereits widerlegt war. Nicht nur Betroffene protestierten und der Fall wurde nie wieder gezeigt.
Den Krimi „Der gelbe Unterrock“ (1980) fand die verantwortliche Redakteurin selbst so peinlich, dass sie verfügte, er solle nicht wiederholt werden. Nicole Heesters stößt darin auf einen psychisch gestörten Mann, dessen Fantasien, wie er Frauen demütigen könnte, etwas ausführlich geschildert werden.
Ein BR-„Tatort“ verbrachte nach seiner Erstausstrahlung 1973 fast 20 Jahre im Giftschrank. Walter Sedlmayr spielt in „Tote brauchen keine Wohnung“ einen Immobilienhai – zu linkslastig, befand der BR und ließ den Krimi mit Gustl Bayrhammer und Helmut Fischer verschwinden. Erst nach dem Intendantenwechsel 1992 wurde er wieder gezeigt und seitdem häufig wiederholt.
Auf den Sonntagsplatz wird es „Tote brauchen keine Wohnung“ allerdings auch im Sommerloch nicht mehr schaffen. Alle Wiederholungen, die da laufen, sind nicht älter als drei, vier Jahre.
aka
„Der frühe Abschied“, So 20.15 Uhr, ARD; „Der Tote vom Straßenrand“ (SR, 2007) am 16. 8.