Tanzen bis zum Umfallen: Faithless in der Tonhalle
"Es ist nicht vorbei, ich gehe nicht nach Hause!“. Der Inhalt von Faithless’ neuer Single „Not Going Home“ spiegelt kongenial die Stimmung in der rappelvollen Tonhalle wider.
Nach 90 Minuten Powertanzen in der völlig überhitzten Konzertsauna wollen die Beine eigentlich nicht mehr. Der Atem rasselt, das Brustbein bebt, die Klamotten kleben schweißdurchnässt auf der Haut. Doch Maxi Jazz, nimmermüder Technomotor der britischen Dancemaschine hat noch nicht genug und feuert die Ü 30-Trancegemeinde unermüdlich an. Der gertenschlanke 52-jährige Buddhist muss in den Jungbrunnen gefallen sein, so mühelos-elegant tänzelt er zwischen seinen hypnotisch-weichen Rapeinlagen auf der Bühne herum. Sogar das Klischee vom „Einswerden“ mit dem Publikum wird Realität, als zum krönenden Abschluss der Ravemesse („We Come 1“) der ganze Saal den Zeigefinger in den Himmel streckt.
Dabei gerät die kollektive Ekstase nie zur peinlichen 90er Jahre Loveparade-Nostalgieshow. Denn Faithless besitzt auch 15 Jahre nach „Insomnia“ eine mitreißende Ausstrahlungskraft, die sie von vielen einstigen Techno-Helden unterscheidet. Ohne aufdringliche Videoanimationen steuert die blondierte Produzentin Sister Bliss hinter Keyboards verschanzt den komplexen Soundteppich mit dramaturgischer Perfektion. Mal fährt sie den Puls mit hymnischen Elektrobrettern („God Is A DJ“) hoch, nur um wenig später die entrückte Feiergemeinde mit gemütlicheren Pop- und Reggaeklängen verschnaufen zu lassen. Unterstützt wird sie dabei von zwei Backgroundsängern, zwei Gitarristen und zwei ekstatischen Schlagzeugern, die Sisters sphärische Klangkunstwerke musikalisch erden. So modern war gestern selten.
Florian Koch
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