Susanne Koelbl: „Zwölf Wochen in Riad“

Susanne Koelbl beschreibt in ihrem Buch „Zwölf Wochen in Riad“ Saudi-Arabien zwischen Diktatur und Aufbruch
von  Volker Isfort
Königssohn Prinz Sultan bin Salman (links) bei einer Führung für Susanne Koelbl durch die alte Herrscherstadt Diriyya nahe Riad.
Königssohn Prinz Sultan bin Salman (links) bei einer Führung für Susanne Koelbl durch die alte Herrscherstadt Diriyya nahe Riad. © Susanne Prinz

Kaum ein Land war lange Zeit so verschlossen wie Saudi-Arabien, das westliche Besucher nur auf Einladung betreten durften und alleinreisende Frauen schon gar nicht. Doch das einstmals sagenhaft reiche Land steht vor riesigen Veränderungen, denn das Ölgeschäft garantiert keine langfristige Perspektive mehr.

In ihrem Buch „Zwölf Wochen in Riad“ blickt die Journalistin und Nahost-Expertin Susanne Koelbl hinter den Schleier einer vielschichtigen Gesellschaft, über die im Westen fast nichts bekannt ist. Die Autorin stellt ihr faszinierendes Porträt eines widersprüchlichen Landes am Donnerstag in München vor.

AZ: Frau Koelbl, als alleinreisende Frau kommt man normalerweise gar nicht nach Saudi-Arabien, Sie hatten kein Problem?
SUSANNE KOELBL: Kein Problem kann man nicht sagen. Angefangen hat alles 2011 mit einer Einladung des ältesten Sohnes des Gouverneurs von Riad, der heute König ist. Ich bin mit einer Gruppe von dort etablierten Leuten mitgereist, deutschen, in Saudi-Arabien aktiven Landschaftsarchitekten. Das war mein Einstieg. Natürlich lernt man dann Leute kennen, und mit Beziehungen und einer gewissen Beharrlichkeit kommt man dann wieder in das Land. Wir als westliche Journalisten haben den Blick natürlich immer auch auf die Menschenrechte, was den Machthabern in solchen Ländern gar nicht gefällt. Aber ich habe gleichzeitig immer versucht, ein faires Bild zu liefern.

Sie sprechen mit Oppositionellen, fahren in die schiitischen Regionen, wo es regelmäßig zu Aufständen kam. Wurden Sie nicht beschattet?
Auf meinen ersten Reisen wurden wir oft von irgendjemandem von der Sicherheit verfolgt. Ich habe die Leute damals noch fotografiert. Aber ich habe zuletzt das Gefühl gehabt, dass die Überwachung diskreter läuft. Ich denke schon, dass ich beobachtet worden bin, aber ich fühlte mich nicht eingeschränkt in meiner Arbeit, ich bin auch nicht behelligt worden. Ich täusche ja niemanden und habe immer offen gesagt, dass ich für ein Buch recherchiere.

Das G20-Gipfel-Foto vergangene Woche zeigt Donald Trump, der Mohammed bin Salman herzlich die Hand gibt. Der CIA hält den Kronprinzen für den Auftraggeber im Mordfall des Journalisten Kashoggi, der in der saudischen Botschaft in Istanbul getötet wurde. Frau Merkel steht auf diesem Foto ganz am Rand.
Vielleicht will sie möglichst weit entfernt stehen vom saudischen Kronprinzen. Der Umgang mit Mohammed bin Salman ist für viele Staatschefs eine schwierige Sache. Trump aber reicht ihm nicht nur die Hand, er überreicht ihm quasi alle Lorbeeren, die man besonders ehrenwerten Staatschefs zukommen lässt. Trump sagt deutlich, der Fall Kashoggi ist ihm nicht so bedeutsam, dass er deswegen die Interessen Amerikas zurückstellen würde. Das verblüfft, weil die USA bislang als wichtigste Schutzmacht der Menschenrechte galten. Trump aber gibt dem Kronprinzen Carte Blanche. Solange Trump an der Macht ist, wird es weder eine UN-Untersuchung geben, noch muss der Kronprinz irgendeine Sanktion befürchten.

Könnte eine nächste Reise nach Riad nach Veröffentlichung Ihres Buches jetzt für Sie gefährlich werden?
Ich hoffe nicht. Ich diskutiere das auch mit mir bekannten Saudis. Ich warte einfach die Reaktionen ab. Ich habe nichts geschrieben, was nicht durch mehrere Quellen belegt ist, oder was ich nicht selbst gesehen habe. Insofern fühle ich mich auf der journalistisch sicheren Seite. Mein Buch ist eine faire Berichterstattung über das Land und ich hoffe, dass die Saudis das auch so sehen.

Mohammed bin Salman weiß, dass Saudi-Arabien nicht nur auf Erdöl setzen kann. Er plant das lange verschlossene Land für den Tourismus zu öffnen.
Saudi-Arabien hat angekündigt, schon sehr bald Visa bei der Ankunft anbieten zu wollen, so dass jeder ohne großes Prozedere als Tourist nach Saudi-Arabien einreisen kann. Geplant ist der Tourismus als eine der großen ökonomischen Säulen der Zukunft. Man kann die archäologischen Stätten besuchen, die Hotels werden ausgebaut, die Wüste an sich ist auch sehr interessant und es gibt Dschidda mit seinen schönen Stränden. Natürlich bleibt der Widerspruch, Urlaub in einem Land zu machen, das Menschen mit dem Schwert hinrichten lässt. Das Land wird sich vielleicht entscheiden müssen: Will es wirkliche Reformen, um auch sein Image im Westen zu verbessern?

Mekka und Medina bleiben für westliche Touristen verschlossen?
Natürlich, die Städte sind abgeriegelt und können auch von ausländischen Muslimen nur mit vorheriger und kontingentierter Anmeldung betreten werden. Aber es gibt schon Diskussionen darüber, ob nicht irgendwann auch mal Nicht-Muslime die Städte besuchen könnten.

Es gibt Beobachter, die davon ausgehen, dass Mohammed bin Salman Trump in den Krieg gegen den Iran treiben möchte.
Die Grundstimmung unter der Bevölkerung ist sicher eine andere: Bitte keinen weiteren Krieg! Die Menschen sind unglücklich mit der Entwicklung des Krieges im Jemen, aus dem das Land zur Zeit nicht hinausfindet. Die Menschen sehen, was in Syrien und im Irak geschehen ist, sie kennen die Situation in Ägypten, und niemand wünscht sich weitere Instabilität. Ich hoffe auf eine Deeskalation der aktuellen Krise, weil ein Krieg gegen den Iran nicht auf den Iran beschränkt bleiben würde. In einem Konflikt der Nadelstiche ist der Iran wahrscheinlich besser als die Amerikaner und die Saudis, weil der Iran viele guerillaartige Milizen außerhalb des Landes kontrolliert. Eine Ausweitung des Konflikts aber würde die ganze Region destabilisieren und damit auch Saudi-Arabien schwer treffen.

Mohammed bin Salman darf nun den nächsten G 20 Gipfel ausrichten. Hört er auf irgendjemanden außer Trump?
Das Schicksal des Kronprinzen ist sehr stark verbunden mit Trump und dessen limitierter Amtszeit. Falls Trump 2020 nicht mehr gewählt würde, hätte Mohammed bin Salman seinen Protektor auf der Weltbühne verloren. Wenn man seine Allianzen so persönlich strickt, sind die zwar zunächst stark, aber mittelfristig auch fragil. Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn, gilt als enger Vertrauter von Mohammed bin Salman, sie kommunizieren privat völlig am diplomatischen Protokoll und am Außenministerium vorbei. Wenn Trump nicht noch einmal gewählt wird, dann gibt es nur noch ein Zeitfenster bis Herbst 2020, in dem für Mohammed bin Salman – und natürlich auch für Israel – die Möglichkeit besteht, den Iran in die Knie zu zwingen. Das ist eine sehr gefährliche Zeit und deswegen ist die Möglichkeit, dass die Lage doch noch weiter eskaliert, durchaus hoch.

Die „Saudisierung“ soll dazu führen, dass Arbeitskräfte aus Drittländern das Land verlassen und die Saudis selber mehr Arbeiten übernehmen.
Der Druck für saudische Arbeitnehmer ist neuerdings extrem hoch. Für sie beginnt eine harte Phase. 80 Prozent der Arbeitnehmer sind bislang beim Staat beschäftigt. Man brauchte also nicht um sein Einkommen zu fürchten, auch wenn die Performance nicht so riesig war. Diese Zeiten sind vorbei. Man kann nicht mehr so leger mit seiner Arbeitszeit umgehen, der Arbeitsplatz kann zu einem privaten Unternehmen outgesourct werden, wo man dem Konkurrenzdruck unterliegt. Inzwischen fangen die Saudis auch an, Jobs zu akzeptieren, die nicht so gut sind. Die Generation, die jetzt nach einer Anstellung sucht, ist in großem Wohlstand aufgewachsen, kann den aber vielleicht zukünftig gar nicht halten. Es gibt viele arme Menschen, die sind meist aber nicht saudischer Herkunft. Noch wollen die Einheimischen nicht alle Arbeiten übernehmen, die bislang die Menschen aus Drittländern gemacht haben. Vor allem Männer fahren lieber Uber als Gärtner zu werden.

Ihr Buch behandelt nicht nur die Politik, sondern liefert auch ein vielschichtiges Bild der saudi-arabischen Gesellschaft, die sich sehr stark wandelt – vor allem, was die Rolle der Frau betrifft.
Die Religionspolizei ist schon seit 2015 entmachtet. Das hat die Atmosphäre wirklich sehr stark verändert. Es gibt sie noch, die religiösen Polizisten maßregeln einen, wenn man beispielsweise gegen Kleidervorschriften verstößt, aber sie haben keine exekutive Macht. Man braucht keine Angst mehr vor ihnen zu haben. Geblieben ist das Vormundschaftsgesetz. Diese gesetzlich verankerte Herrschaft des Mannes über die Frau ist der wahre Knackpunkt der künftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Sie gibt den Männern absolute Kontrolle über ihre Frauen und Töchter. Die Frauen erleben dennoch eine Phase der Befreiung. Das ist auch der Grund, warum die jungen Leute Mohammed bin Salman bislang begeistert stützen. Die gewonnene Bewegungsfreiheit und die Partizipation von Frauen in der Arbeitswelt werden ganz positiv gesehen. Die Jugend steht fast geschlossen hinter dem Kronprinzen. In Kompensation für die nicht mehr gewährten finanziellen Sicherheiten des Staates wird es künftig mehr gesellschaftliche Freiheiten geben, auch für die Frauen. Im Grunde ist das ein Tausch, ein neuer Gesellschaftsvertrag.

Wie steht es um demokratische Angebote?
Demokratie ist in Saudi-Arabien bis aufs Weitere nicht vorgesehen. Wer öffentlich die Mitbestimmung des Volkes fordert, gar demokratische Wahlen, dem kann es ziemlich schlecht ergehen. Die Menschen wollen allerdings vor allem einen Herrscher, der die Situation im Königreich stabil hält und die Wirtschaft ankurbelt, damit die Zukunft sicher ist. Wenn Mohammed bin Salman das liefert, könnte er der willkommene Führer für die nächsten Jahrzehnte sein.

Susanne Koelbl stellt ihr Buch „Zwölf Wochen in Riad“ (DVA, 320 Seiten, 22 Euro) am 4. Juli um 19 Uhr in der Evangelischen Stadtakademie (Herzog-Wilhelm-Str. 24) vor, Eintritt 8 Euro

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