Süffiger Zynismus

Regisseur Pavel Fieber über die Freuden des Wohnens auf Zeit, den Unruhestand und das Musical „Grand Hotel“ am Gärtnerplatz
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Regisseur Pavel Fieber über die Freude des Wohnens auf Zeit, den Unruhestand und das Musical „Grand Hotel“ am Gärtnerplatz

Vicki Baums „Menschen im Hotel“ erzählt von Lebensgeschichten, Träumen, Sehnsüchten und Enttäuschungen exzentrischer Bewohner eines Hotels. Der 1929 erschienene Roman wurde bald mit Greta Garbo in Hollywood verfilmt. Luther Davis (Buch), Robert Wright, George Forrest und Maury Yeston (Musik und Songtexte) machten 1989 ein Musical für den Broadway daraus. Pavel Fieber hat es am Gärtnerplatztheater inszeniert.

AZ: Herr Fieber, wohnen Sie während der Proben in einem Münchner Grandhotel?

PAVEL FIEBER: Nein. Das Theater hat mir eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Leider ist sie nicht wintertauglich. Wenn die elektrische Heizung in der Küche und im Bad gleichzeitig läuft, haut es regelmäßig die Sicherung heraus.

Leider trifft man in echten Hotels nie so aufregende Menschen wie im Roman.

Es sei denn, man sitzt in Berlin im Kempinski oder dem Adlon und beobachtet die Leute. Auch in Wien habe ich das im Sacher schon gemacht.

Wer wohnt denn in Ihrem Grand Hotel?

Der Arzt Dr. Otternschlag ist ein vom Krieg desillusionierter Zyniker. Er will eigentlich jeden zweiten Tag abreisen, ist aber ein ständiger Bewohner. Die Grusinskaya, eine Tänzerin, steigt dort immer ab, wenn sie in der Stadt gastiert. Der Baron Gaigern ist eigentlich ein Hoteldieb. Kringelein hat alle Brücken hinter abgebrochen. Es sind lauter desillusionierte Menschen, die ihre beste Zeit hinter sich haben.

Und wo bleibt das Positive?

Zwischen den Schicksalen gibt es wahnwitzige Shownummern. Es wird gesteppt und Charleston getanzt. Das Vergnügliche ist der Wechsel zwischen Show und den guten Geschichten.

Wie klingt denn die Musik?

Sehr süffig. Das Stück ist fast durchkomponiert. Wie in einem Film werden fast alle gesprochenen Dialoge mit Musik untermalt.

Viel gespielt wurde „Grand Hotel“ bisher nicht gerade.

Es war kürzlich in Osnabrück zu sehen und vor zehn Jahren in Berlin. Damals fand ich es fad. Aber mittlerweile bin ich sicher, dass sich die Entdeckung lohnt. Man braucht allerdings Leute wie April Hailer dafür. Sie ist eine tolle Person, die vor Energie sprüht. Bei Proben Schauspielunterricht erteilen zu müssen, macht dagegen keinen Spaß.

Sie waren 25 Jahre lang Intendant in Ulm, Kaiserslautern und Karlsruhe. Vermissen Sie das?

Intendant ist kein Beruf, sondern ein Amt. Ich habe am Berliner Reinhardt-Seminar Regie und Schauspiel studiert und habe oft Rollen wie den Danilo in der „Lustigen Witwe“ oder den Higgins in „My fair Lady“ gespielt. Seit fünf Jahren bin ich als Intendant im Ruhestand und kann nun machen, was ich will.

Würde Sie eine weitere Intendanz reizen?

Ich bin dreimal gefragt worden, aber standhaft geblieben. Der Kern dieses Jobs ist es, gute Leute zusammenzubringen. Das macht schon Spaß. Aber ich habe einfach keine Lust mehr, mich mit Politikern um 100 Euro zu streiten, während anderswo das Geld zum Fenster hinausgeworfen wird.

Robert Braunmüller

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