Franz Xaver Bogner: Ein Interview zum 75. Geburtstag
Aufgewachsen ist er in Markt Schwaben. Das Gymnasium besuchte er in Erding. Nach einer Lehre an einem Kopierwerk ging er an die damals noch junge Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Die Serie "Irgendwie und Sowieso" mit Ottfried Fischer, Elmar Wepper und Robert Giggenbach hat ihn 1986 zum Regiestar gemacht. Auch seine Serien "Zur Freiheit", "Café Meineid" oder "München 7" sind für München und Bayern identitätsstiftend und deutschlandweit beliebt.
Er liebe die Kälte, sagt er, als er ins Literaturhaus eintritt, alles sei klarer und nicht so matt. Bogner selbst wirkt ebenso - wenige Tage vor seinem 75. Geburtstag. Hier im Restaurant und Café OskarMaria sind die Sets unter den Gedecken mit Zitaten von Oskar Maria Graf bedruckt. Franz Xaver Bogner sitzt an einem, wo Graf selbstironisch seine Angst beschreibt, dass es mit seiner "Berühmtheit" noch klappen würde. Was am Tisch zur ersten Frage führt.
AZ: Herr Bogner, sind Sie berühmt?
FRANZ XAVER BOGNER: Nein, weil mich auf der Straße keiner anspricht oder ein Autogramm will. Und ich bin froh darum, weil ein berühmtes Leben erfordert, dass man präsent ist, dass man von Party zu Party zieht, von Bar zu Bar. Dieses Eventgehoppe fände ich extrem öde, langweilig und belastend - totale Zeitverschwendung. Außerdem trinke ich keinen Alkohol.
Warum?
Ich hatte als Jugendlicher eine Leberfunktionsstörung und habe seitdem nichts mehr getrunken. Ich mache alles mit großer Leidenschaft und nichts mit Maß, und das geht so halt beim Trinken nicht. Und ich finde es wunderbar, nicht berühmt zu sein, auch weil es da, wo ich mich am wohlsten fühle, nämlich bei meiner Familie, überhaupt keine Rolle spielt, was ich als Beruf mache.
Sie haben gerade einen Tee bestellt? Bayern sind doch eher Kaffeetrinker.
Aber ich trinke Tee. Ist es nicht wunderbar: Man kann ihn ziehen lassen. Das hat fast etwas Philosophisches, jedenfalls Gelassenes.
Sind Sie gegenüber der Zahl 75 gelassen?
Ja, aber das hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich habe vor 15 Jahren eine schwere Krankheit gehabt, und die hat mir gezeigt, dass man mit Gelassenheit mehr Erfolg hat. Das gilt für viele Lebensbereiche. Ich bin Autor und Regisseur - und gerade Letzteres hat ja ein Berufsbild, das mit Totalstress verbunden wird. Aber ich schaffe es, das zu vermeiden. Ein zentraler Punkt ist, nicht zuvor und währenddessen dauernd mit viel Energie den Schauspielern zu erklären, wie ich mir alles genau vorstelle bei ihrem Charakter. Und auch bei dem, was sie sagen, muss es derjenige draufhaben, es muss zu einem passen, auch wenn im Buch etwas anders steht. Bei mir hat das alles etwas Spielerisches, was ja zum Schauspiel passt, zum Spielfilm. So kann ich die Arbeit der Schauspieler bei meiner Arbeit genießen, es stellt sich eine Natürlichkeit ein. Und das Regieführen habe ich ja irgendwann einmal gelernt…
Unter anderem an der Hochschule für Fernsehen und Film.
Was auch immer man da lernt. Ich selbst habe das meiste von meinen Kindern und Kindeskindern gelernt: dass man mit Druck nichts hinbringt.
Das alles ist die Abkehr vom Manischen, was ja oft mit dem Regieführen verbunden wird. Kannten Sie Helmut Dietl gut?
Nein, ich habe ihn zwei oder dreimal getroffen, weil die Idee aufkam, wir könnten was zusammen machen. Aber jeder hat sein Ding gemacht. Eine gewisse Verwandtschaft haben wir, was die Sprache anbelangt: Er ist Münchner mit einem Hang zum Bairischen und ich bin der Bayer mit einem Münchner Anklang, sogar mit Problemen mit dem Münchnerischen.
Weil Sie von Markt Schwaben herkommen?
Dort bin ich aufgewachsen, aber eben nah an München. Ich wohne auch heute 90 Meter von der Stadtgrenze weg.
Auf der Münchner Seite?
Nein auf der anderen - in Neubiberg.
Ist es immer schwerer, Schauspielerinnen und Schauspieler zu finden, die natürlich bairisch sprechen?
Ja, mit der Betonung auf "natürlich". Münchnerisch findet man noch wen, richtig bairisch wird es immer weniger. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, wie die ganze Brückner-Familie. Und die Zeit, wo beim Casting Wert darauf gelegt wurde, dass man das Bairische nicht hört, ist vorbei. Man braucht auch wieder mehr, die das können - was man an sowas wie "Dahoam is dahoam" sieht.
Sie haben aber auch lange in München gelebt.
Ja, in Giesing, am Ostfriedhof.
Wo ja der neue Pumuckl gedreht wurde, weil das Lehel halt nichts Uriges mehr hat. Wie sehen Sie die Entwicklung Münchens?
Dieses Sehnsuchtsgehabe mit Sätzen wie "Früher war alles besser" und "die gute alte Zeit", das ist nicht mein Ding. Eine Stadt muss sich verändern, alles andere wäre unnatürlich, ja furchtbar. Aber natürlich leidet München darunter, dass es immer teurer wird, hier zu wohnen, und damit bestimmte Leute rausgedrängt werden. Das kann man kaum verhindern. Angefangen hat es mit Schwabing und der Maxvorstadt. Neuhausen kam dann dran. Ich selbst habe Jahre in Haidhausen gelebt, wo das auch passiert ist, aber doch noch eine andere Spielart hatte - eine etwas alternativere.
Welcher Stadtteil würde Ihnen denn heute am ehesten zusagen, um einen Film dort zu drehen, der Münchnerisch sein sollte?
Interessant wäre doch Freiham, wo was komplett Neues entsteht. Wenn da junge Leute und Familien hinziehen, könnte man spüren, wohin die Gesellschaft geht, wie eine Jugendbewegung tickt, wie man heute zusammenleben will.
Was war das beste Jahrzehnt?
Ich liebe die Gegenwart, aber in den 60ern war ich jung und es gab die richtige Musik dafür. Alles hatte den Touch von Aufbruch. Und es gab die schönsten Autos. In den 1970er-Jahren wurde alles ziviler.
"Himmel Herrgott Sakrament" haben Sie in Sendling gedreht.
Ich fand das dort eine angenehme Stadtgesellschaft, schön durchmischt, nicht engstirnig. Ich habe ja auch schon um den Großmarkt herum gedreht.
Hat Sie die Begeisterung der Zuschauer für die Geschichte um den rebellischen Stadtpfarrer überrascht?
Ja, weil ich nicht gedacht habe, dass der Katholizismus als Thema noch soviel Aufmerksamkeit hat. Fiktionales hat im BR lange nicht mehr so einen Marktanteil gehabt. Aber letztlich arbeiten sich Taufscheinkatholiken, Ausgetretene oder Kirchensteuersparer halt doch noch an der Kirche ab. Viele sind anscheinend inhaltlich immer noch nicht fertig mit dem Thema Gott und Kirche.
Haben Sie dadurch einen Freibrief beim BR? Eine Carte blanche?
Nein, aber die Bestätigung, dass es in meinem kontinuierlichen Arbeiten seit Jahrzehnten halt noch weiter geht. Vielleicht auch mit einer Fortsetzung, die Figuren sind noch nicht auserzählt. Und ich habe noch etwas im Kopf, was mit München zu tun hat und dort hinter die Kulissen des Geldadels und der Neureichen schaut und auf deren Abhängigkeiten, Abgründe und Tragödien. Das wäre dann auch keine reine satirische Komödie wie "Kir Royal", sondern vielleicht deutlich härter. Mal schaun…
Ein Blick hinter den "diskreten Charme der Bourgeoisie".
Übrigens einer meiner Lieblingsfilme.
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