Sterben ist recht anstrengend
Sebastian Baumgarten, der 2011 in Bayreuth den "Tannhäuser" wagt, wuchtet in Berlins Komischer Oper Mozarts "Requiem" auf die Bühnenbretter. Schauspieler aus Frank Castorfs Volksbühne helfen ihm dabei.
Gipfeltreffen der Opern- und Theaterwelt in Berlin: Im Publikum Stars wie Ulrich Matthes, auf der Bühne ein Experiment von Sebastian Baumgarten, „Opernregisseur des Jahres“ 2006 und 2011 Bayreuth-Debütant.
An der Komischen Oper, „Opernhaus des Jahres“ 2007, inszeniert er Mozarts „Requiem“, verschnitten mit Armin Petras’ und Jan Kauenhowens Text „In der Schlangengrube“über Gespräche mit Sterbenden. Vier Solisten, der „Chor des Jahres“ 2007, drei Haudegen der Berliner Volksbühne und Fassbinder-Schauspielerin Irm Hermann – so viel Avantgarde-Glanz kann derzeit nur ein Haus in Deutschland aufbringen. Aber wozu?
Todesgequengel
Diese Frage bleibt offen. Dabei hat Baumgartens Potpourri über das Sterben einiges zu bieten. Nach fünfzehn Minuten Todesgequengel von Herbert Fritsch und Hendrik Arnst zum Beispiel: Plötzlich erheben sich die ersten zwei Reihen und brüllen dem Publikum ihr „Requiem aeternam“ entgegen. Später kehren die Chorsolisten als Krankenhausgesellschaft wieder, kriechen als madenartige Lemuren durch ein Leichenverbrennungswerk oder stolpern als Urmenschenhorde aus einem U-Bahnschacht.
Dazu rotiert ein Roboterarm an der Decke, kreischen sich Kathrin Angerer und Irm Hermann in grellen Kostümen, die Herren mit Rokoko-Perücken oder Skelett-Anzügen durch ihre Texte, die nichts als die Banalität des Todes zum Thema haben. Sie steigen in Pappsärge, wühlen in zerbrochenem Geschirr, spielen in einem äußerst komischen Film die „Satyricon“-Legende der Witwe von Ephesus nach.
Nicht nur die Gerippe klappern
Dennoch: Es klappert zwischen Graben (Bremens GMD Markus Poschner) und Bühne – Mozart kommt zu kurz. Die Textpassagen hingegen ufern aus, langweilen im Mezzoforte und bleiben oft unverständlich. Bei allem apokalyptischen Bilderwust, banalem Sterbegebrabbel und castorfscher Materialschlacht vermisst man neue Erkenntnisse und bleibende Verstörung. Alles halb so wild.
Georg Kasch