Statt Würstel nur noch Sushi und Salat
Der Dirigent Andris Nelsons ist kein Kostverächter – und steuert den neuen „Lohengrin“ im Bayreuther Graben
Viel zu schüchtern ist der blasse Mann aus Riga. Entschuldigt sich in einer Tour – was sich schlagartig ändert, wenn er den Taktstock in die Hand nimmt. Nicht, dass Andris Nelsons seine Höflichkeit verlieren würde, vielmehr mutiert er zum Maniac mit Starkstromanschluss. Zwischen Wien und New York führt das zu euphorischen Zuständen. Bei Musikern und Publikum. In Bayreuth sprachen wir einen nervösen Hügel-Debütanten.
AZ: Herr Nelsons, Sie wirken ziemlich unruhig.
ANDRIS NELSONS: Ich bin immer nervös. In Berlin, in München, überall, wo ich dirigiere, bin ich nervös. Aber Bayreuth ist natürlich ein außergewöhnlicher Platz. Diese Atmosphäre! Man spürt den Geist Wagners!
Hängt Ihr Porträt eigentlich schon in der Galerie der Bayreuth-Dirigenten auf dem Weg zum Orchestergraben?
Am Montag war das Fotoshooting. Und neben Richard Strauss, Carlos Kleiber und all diesen fantastischen Dirigenten zu hängen – oh mein Gott, mir wird ganz elend!
Vor der Akustik haben schon doppelt so alte, erfahrene Dirigenten kapituliert.
Für seine Musik wollte Wagner die besten Voraussetzungen. Und der Orchestergraben unter der Bühne ist eine sehr spezielle Sache. Bühne und Graben zu koordinieren, das ist eine riesige Herausforderung. Man braucht zuverlässige Assistenten, die draußen sitzen und hören, ob’s passt. Alles ist hier Teamarbeit. Und man muss mehr wissen, als man hört.
Wenigestens haben die Musiker Lust auf Wagner, die sind ja freiwillig hier.
Allerdings. Im Grunde sind sie wie ein „älteres“ Jugendorchester, man brennt für die Sache, verbringt die Zeit gerne zusammen. Aber die Orchestermusiker, die ich dirigieren, sind immer sehr fasziniert von der Musik.
Vielleicht liegt das an Ihnen?
Jedenfalls ist es meine Aufgabe, die Leidenschaft zu entfachen.
Die Temperaturen im Graben müssen höllisch sein.
Es ist wahnsinnig heiß. 35 Grad und mehr. Aber diese Musik ist einfach so großartig, dass wir gerne leiden. Es gibt ja auch keine richtige Klimaanlage. Nur eine kleine für den Dirigenten. Ich mag das aber gar nicht so, denn man schwitzt und kann sich leicht erkälten.
Ist der „Lohengrin“ ein gutes Stück, um hier einzusteigen?
Absolut. Denn es ist früher Wagner – was die Sache allerdings nicht einfacher macht. Der „Lohengrin“ wurde ja nicht für diese spezielle Akustik komponiert. Wagner war noch auf der Suche. Mit seinen Ideen ist er sehr direkt, sehr aufregend, sehr leidenschaftlich.
Lernen Sie Deutsch?
Ja. In den Proben spreche ich Deutsch, und das scheint sehr lustig zu sein, die Musiker lachen... Für Wagner habe ich aber gute Übersetzungen. Seine Sprache ist sehr speziell, die Musik ist ja auf den Text geschrieben. Und schon für die Phrasierung muss man wissen, was da zusammengehört.
Hans Neuenfels ist für seinen ironischen Blick bekannt. Sie nehmen die Werke immer sehr ernst. Wie passt das zusammen?
Neuenfels ist fabelhaft, sehr erfahren. Die Geschichte des Lohengrin ist ja ziemlich naiv. Ich bin ein sehr romantischer, sensibler Mensch, vielleicht auch naiv. Wenn Neuenfels genau so wäre, würde das zu viel werden, womöglich Oper für Kinder. Neuenfels hat eine andere Perspektive, und ich schaue fasziniert drauf.
Gefällt Ihnen die Inszenierung?
Ich finde sie sehr interessant und bewundere Leute mit Erfahrung, die wissen, was sie wollen. Neuenfels hat eine starke Vorstellung. Wenn ich nicht alles verstehe, dann ist das in erster Linie mein Problem. Und diese Inszenierung ist sicher nicht langweilig, sondern dynamisch.
Haben Sie Bayreuth schon besichtigt?
Ich bin schon ein bisschen durch die Stadt spaziert. Bayreuth ist ruhig und klein, aber sehr sympathisch. Mir kommt es vor, als sei die Zeit hier einfach stehen geblieben. Das erinnert mich auch wieder mal daran, dass man sich mehr Zeit zum Nachdenken nehmen sollte.
Wie schmeckt Ihnen denn die nicht ganz kalorienarme fränkische Küche?
Oh Gott, die ersten zwei Wochen habe ich alles durchprobiert, Würste, Braten! Und gleich fürchterlich zugenommen. Jetzt mache ich Diät: Nur noch Salat und Sushi.
Sie sind genauso streng wie Ihr Lehrer Mariss Jansons. Der macht auch immer Diät.
Hmm. Ich will ja nur gesund bleiben.
Christa Sigg
- Themen:
- Richard Strauss