Starparade für Vivaldi
Villazón, DiDonato, Jaroussky, Damrau: Bei der Schatzhebung des „Ercole“ sind die Fixsterne der Klassikszene im Einsatz
Auf dem Musikmarkt blitzen nur noch Sterne. Und sind im Ensemble gerade mal zwei halbwegs bekannte Künstler, gilt das Ganze natürlich als Staraufgebot. Beim neuesten Coup des Barock-Spezialisten Fabio Biondi treffen die arg strapazierten Begriffe wirklich zu: Jede Position seiner aktuellen Schatzhebung ist mit einem echten Zugpferd besetzt – von Counter-Darling Philippe Jaroussky bis zur Sopran-Domina Joyce DiDonato. Dabei wäre Antonio Vivaldis „Ercole sul Termodonte“ schon Sensation genug.
Mühsam musste die Oper um den antiken Heroen rekonstruiert werden. Das Libretto lag vor, die Partiturfetzen waren quer durch Europa verstreut. Doch Biondi blieb hartnäckig. Denn in diesem „Herkules“ steckt so ziemlich alles, wonach das Publikum giert: aufregende Arien, fulminante Chöre, feurige Schlachtenszenen.
Prickelnder Geschlechterkampf
Dass „Ercole“ der kläglich dahindümpelnden Karriere des Komponisten einen neuen Kick gab und um 1725 einen regelrechten Vivaldi-Hype in Gang brachte, ist also kaum überraschend. Und auch Biondis Sänger und Musiker werfen sich mit Verve ins Gefecht zwischen Amazonen und Griechen. Wobei dann doch vor allem Eros seine Pfeilchen abschießt. Die streitbaren Weiber und die kampferprobten Mannen vergucken sich im Eiltempo. So, wie sich’s auf der Opernbühne gehört.
Tatsächlich klingen die gut zweieinhalb Stunden Geschlechterkampf äußerst prickelnd. Vivica Genaux demonstriert in der Rolle der Ober-Amazone Antiope souveränes Sopran-Format. Lustvoll verkörpert Diana Damrau das naive Hascherl Martesia, nur passt ihr Gezwitscher kaum zu einer Barockoper. Dafür gurrt sich Philippe Jaroussky als Alceste – stilecht – in anrührende Erdferne. Und Romina Basso ist in der Starparade eine echte Entdeckung: Als Teseo wuchert sie mit den erotischen Samttiefen ihres Alt.
Bittere Ironie des Sängerschicksals: Ausgerechnet der stimmhavarierte Rolando Villazón muss sich durch die Partie des Titelhelden kämpfen. Und leider steht er nicht nur mit den barocken Koloraturen auf Kriegsfuß. Für Joyce DiDonato sind diese Achterbahnfahrten dagegen ein Kinderspiel. Ihr Timbre ist umwerfend, die Gestaltung erlesen. Und damit wird ihre Ippolita zum hellsten Stern dieser Vivaldi-Galaxie.
Christa Sigg
Vivaldi: „Ercole“, Virgin Classics
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