Starck 3 statt Hartz IV

Der Trend zum Luxus-Wohnen in der Innenstadt ist ungebrochen. Im ehemaligen Arbeitsamt an der Thalkirchner Straße entstehen bis Ende 2008 64 Eigentumswohnungen mit 2 bis 4 Zimmern.
von  Abendzeitung

Der Trend zum Luxus-Wohnen in der Innenstadt ist ungebrochen. Im ehemaligen Arbeitsamt an der Thalkirchner Straße entstehen bis Ende 2008 64 Eigentumswohnungen mit 2 bis 4 Zimmern.

"Was haben Philippe Starck und König Ludwig II. gemeinsam? Was haben Philippe Starck und König Ludwig II. gemeinsam? Auch Philippe Starck baut Märchenschlösser. Das nächste in München." Mit diesem Slogan wirbt die Vivacon AG für ihr Luxus-Bauprojekt „yoo“ im ehemaligen Arbeitsamt an der Thalkirchner Straße. In dem denkmalgeschützten Gebäude, das vor dem Umzug an die Kapuzinerstraße jahrzehntelang Anlaufstelle für Arbeitssuchende war, entstehen bis Ende 2008 64 Eigentumswohnungen mit 2 bis 4 Zimmern (120 bis 300 Quadratmeter) – Starck 2 bis 4 statt Hartz IV.

Märchenschlösser in Münchens City gibt es nur für ganz Reiche. Die Innenstadt können sich immer weniger Normalverdiener leisten. Denn die öffentliche Hand – ob Staat oder Stadt – verkauft ihre Immobilien meistbietend an Investoren. Und das „München Modell“, die Vergünstigung für einkommensschwächere Münchner beim Wohnungskauf, gilt hier nicht. Wo Umnutzungen und Neubebauungen stattfinden, klettern die Preise für die raren Wohnungen weit in die Höhe – wie in den Fünf Höfen, im Alten Hof, den Lenbach Gärten. Dort steigen sie auf bis zu 11 000 Euro pro Quadratmeter.

„yoo“-Lofts im herrschaftlichen Gründerzeitbau

Dafür ist die Concierge dann inklusive – wie bei den „yoo“-Lofts im herrschaftlichen Gründerzeitbau. Die hat der globalisierte Design-Star Starck entworfen; eine weltweite Marke, die es u.a. auch in New York, Miami, London, Hong Kong und Hamburg gibt. Ende 2008 sollen sie in München fertiggestellt sein. Die Preise sind für hiesige Verhältnisse im Luxussegment vergleichsweise günstig: Sie liegen bei 7 000 Euro pro Quadratmeter.

Das liegt laut „yoo“-Vertriebschef Erguen Vedat daran, dass die Thalkirchner Straße, zwischen den Kliniken, Glockenbach- und Schlachthofviertel gelegen, noch nicht direkt als Szene-Standort gilt. Aber „die Gegend ist im Kommen“, so Vedat, und Lokale und Läden sowie die Innenstadt sind ja fußläufig zu erreichen. Außerdem sorgt gleich nebenan der Umbau des einstigen AOK-Verwaltungsgebäudes an der Maistraße ins „Isar Stadtpalais“ mit 150 2- bis 4-Zimmer-Eigentumswohnungen, für die Aufwertung des Viertels. Sollte außerdem tatsächlich, wie von der Mittelstraß- Kommission vorgeschlagen, die Frauenklinik in der Maistraße in den nächsten Jahren (bis 2020) nach Großhadern verlegt und auch dieser prächtige Klinik-Altbau in sündteures Eigentum umgewandelt werden, dann sind die Reichen und Schönen dort unter sich. Urbanes Leben findet allerdings zwischen den Hochglanz- Immobilien kaum mehr statt, der Charakter des Viertels wird völlig umgekrempelt.

Und die Toten sind auch noch da, den Alten Südfriedhof kann man nicht verlagern, auch wenn sich das Wort Friedhof in einer Immobilienanzeige nicht so gut macht. Für reiche Russen etwa kämen die „yoo“-Wohnungen tatsächlich wegen des benachbarten Friedhofs nicht in Frage, wie Vedat erklärt. Trotzdem sind von den 64 Wohnungen nur noch zwölf zu haben. Aufgrund der Nachfrage seien, so Vedat, die Preise während der Vermarktungsphase sogar um 15 Prozent gestiegen.

Kliente: deutsche Geschäftsleute

Die Klientel sind vor allem deutsche Geschäftsleute oder „ausländische Investoren mit Bezug zu München“, die quasi „yoo“-Lofts weltweit sammeln. Weil sie viel reisen und wenig Zeit haben, nehmen sie dankbar das Angebot an, dass die Wohnung auch gleich eingerichtet wird. Dabei können sie zwischen vier Stillinien wählen. Doch gehe es weniger um die „Möblierung, sondern um ein Lebensgefühl“, so Vedat.

Die Kosten für diesen gefühlten Stil, komponiert nach den Style-Empfehlungen von Starck, kommen natürlich noch zum Kaufpreis dazu. Eine andere Variante des gehobenen Wohnens bietet die ehemalige Stadtwerke-Dienstvilla neben dem Muffatwerk. Wiederum ein denkmalgeschützter Bau, aber noch exklusiver und in seiner Lage einmalig. Die Villa von 1903, eine der Immobilien, die die Stadtwerke 2007 veräußerten, wird derzeit vom Münchner Architektenteam Uwe Binnberg und Donata Eberle renoviert und in vier üppigeWohneinheiten zwischen 120 und 300 Quadratmetern umgewandelt. Im Herbst sollen sie bezugsfertig sein.

Binnberg und Eberle hatten bereits 2005 eine Pioniertat vollbracht und den Hochbunker an der Claude-Lorrain- Straße zum Wohnhaus umgebaut. Für die Villa rekonstruierte Binnberg nach alten Plänen das ursprüngliche Dach mit vier Mittelgiebeln, das durch einen Bombentreffer vernichtet worden war. Original ist auch die wiedererrichtete, etwa 50 Quadratmeter große Dachterrasse, von der aus man einen fantastischen Blick übers Isarwehr hinweg auf die Türme von München hat. Im Inneren werden in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz die alten Grundrisse und der Stuck an der Decke nach den vorhandenen Resten rekonstruiert.

Völlig neu ist nur die Maisonette-Wohnung unterm Dach – mit 2,70 Meter Deckenhöhe im obersten Geschoss auch nicht eben beengend. Weil in den rekonstruierten Giebeln die Original-Fenstergrößen eingehalten werden, wurden daneben verschiebbare Dachflächenfenster eingebaut, die die Wohnung großzügig nach allen Seiten hin öffnen. Erstaunlich ist dieser Umbau nicht nur im Hinblick auf die einmalige Lage zwischen Isar und Auer Mühlbach, sondern auch was die Finanzierung angeht: Binnberg kaufte 2007 selbst das Grundstück von den Stadtwerken gegen Höchstgebot – auf eigenes Risiko. Über den Makler fand er zwei Käufer, die auch selbst einziehen. Dazwischen lagen ein Kredit über mehrere Millionen Euro und einige schlaflose Nächte.

„Ich habe einfach Spaß an der Architektur und keine Lust auf die Auseinandersetzung mit schwierigen Bauherrn“, erklärt Binnberg seinen Wagemut. Wie schon beim Bunker musste er die Wohnung seiner Eltern mit einer Hypothek belasten. Gute Nerven, starke Familienbande und eine große Portion Draufgängertum braucht man also für ein solches Projekt. Der hohe Einsatz hat sich gelohnt, die Wohnungen sind verkauft. Kundschaft für solche Ausnahme-Immobilien ist in München reichlich vorhanden. Noch sind die Möchtegern- Monarchen von heute nicht so pleite wie der Märchenkönig.

Roberta De Righi

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