Stärken des Herrenclubs
Dirigent Mariss Jansons und seine Wiener – gefeiert mit Johannes Brahms, Hector Berlioz und Anton Webern im Salzburger Großen Festspielhaus
Ein dicker philharmonischer Kontrabassist verkörpert die Ruhe selbst. Er sieht aus wie Johannes Brahms und sitzt als einziger vom Dirigenten leicht abgewandt. Im jahrelangen Dienst ergraut, kennt er die Musik im Schlaf. Wenn er wirklich einen Einsatz braucht, dreht er den Kopf demonstrativ. Aber oft geschieht es nicht.
Der Weißbart verkörpert den Geist des Herrenclubs, der die Zweite von Johannes Brahms auch ohne Dirigent allein abwickeln könnte. Aber dann wäre es nur halb so frisch wie unter Mariss Jansons. Der Lette ist kein Domteur, lässt die Musiker spielen, gibt Freiheiten und zwingt einem Orchester nicht seinen Willen auf. Aber er holt aus dem Vorhandenen an einem guten Vormittag das Letzte heraus.
Streicher-Goldgrund
Die heftig bejubelte Matinee im Großen Festspielhaus in Salzburg gehörte den Stärken des konservativen Herrenclubs, der immer mehr Damen in seinem Kreis duldet: Die seidige Fülle der Streicher bildete den Goldgrund, auf dem die solistischen Qualitäten der Holzbläser blitzten. Dank der Wiener Eigenheiten klingen sie so rohrig wie bei Orchestern mit historisierendem Instrumentarium, was besonders dem pastoralen Idyll des Allegretto grazioso zugute kam.
Am Ende des Kopfsatzes und im Adagio ma non troppo gestattete sich Dirigent Mariss Jansons ein paar furtwänglernde Verlangsamungen, wo die Partitur diskrete Rückungen vorschreibt, ohne jedoch in die Brahms-Manieriertheit seines Kollegen Christian Thielemann zu verfallen. Mitreißend und mit bei ihm üblichen 150-prozentigen Emotional-Schauern steigerte der Chef des BR-Symphonieorchesters dann das Finale.
Berlioz-Glück mit Elina Garanca
Zuvor verfügte Jansons aber auch über die nötige Ruhe für den zarten Lyrismus der „Les Nuits d' été" von Hector Berlioz. Elina Garanca sang mit eleganter Fülle. Die Wiener Philharmoniker machten Staunen mit festspielwürdigen weichen und leisen Bläser-Einsätzen, die kein hiesiges Weltklasseorchester so makellos hinbringt.
Ähnlich subtil schattiert begann der Vormittag mit Anton Weberns unverhältnismäßig oft gespieltem Frühwerk „Im Sommerwind", das eigentlich nur den Dirigenten erlaubt sein dürfte, die auch die Hauptwerke spielen. Hier fügte es sich jedoch perfekt in die Jahreszeiten-Dramaturgie des Programms. Um zu erkennen, was wir in München an Mariss Jansons haben, muss man ihn öfter mit anderen Orchestern hören.
Robert Braunmüller
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