Sprünge in der Schüssel
Ein Stück über den Krieg muss wohl unwohl machen: Luk Perceval inszenierte „Troilus und Cressida“ in den Kammerspielen.
Ja, lästig ist das, wie der Trojanische Krieg vor sich hintröpfelt, kein Kampf in Sicht, dafür regiert der größte Feind des Menschen, des Mannes sowieso: die Langeweile. Und wenn nix los ist, dann tun Männer eben das, was sie in solchen Situationen tun: Sie hocken rum, lesen, reden. Hören wenig zu. Und vor allem spielen sie. Womit man beim Theater ist, bei William Shakespeare und bei Luk Percevals Inszenierung von „Troilus und Cressida“, eine Koproduktion der Kammerspiele mit den Wiener Festwochen.
William Shakespeare hat die Lethargie der Kämpfer auch in die Dramaturgie des Stücks eingepflanzt. Dass hier zunächst eine burleske Nummern-Revue rauskommt, gehört zum Programm, wobei in der Bearbeitung von Paul Brodowsky und der Fassung Percevals die Schraube weiter ins Heute gedreht wird: Sophistication, Schimpfworte, Slapstick und ein paar Schüttelreime.
In Dampfbadatmosphäre mit Schüsseln, in denen die Tropfen melancholisch plinken, eröffnet sich ein Panorama der Auflösung. Alles ist weg, die Gewissheiten und Grenzen und damit die Hierarchien, im Krieg als auch im Spiel. Die Darsteller geben Griechen als auch Trojaner, eine Hauptfigur schält sich nicht heraus.
Wolfgang Pregler doziert als Bildungsbürger Ulysses über das Stück selbst, Hans Kremer täuscht als Agamemnon Texthänger vor, weil eben auch der Krieg einen Hänger hat. Dann albert er mit einem Didgeridoo herum, macht daraus ein Fernrohr, fährt Fahrstuhl.
Männer auf dem absteigenden Ast zeigt Perceval in ihrer ganzen komischen Lächerlichkeit. Sehr amüsant sind sie, von Stefan Merki als Diomedes, der auf den Lachen ausrutscht, bis zu Bernd Grawert, der als Menelaus zum Gitarren-Dauer-Barden mutiert.
Dass diese Männerrunde (mit der eingeschmuggelten Barbara Nüsse als Witzfigur) eine böse Ausgeburt des Chauvinismus ist, dass der Krieg gerade in Wartephasen das Animalische herauskitzelt, dass das Lachen eigentlich im Halse stecken bleiben sollte – all das lässt Perceval gnadenlos nach dem Prolog aus dem Dunst der Clownereien durchbrechen. Aus den seltsamen Anmutungen werden klare Zumutungen, Joel Harmsen als Thersites und Julia Jentsch als Cressida stecken Demütigungen ein, der eine als dunkelhäutiger Putzmann, die andere als Frau allein im Männerzirkus.
Viel Zeit, ein Gesicht zu gewinnen, hat Julia Jentsch für ihre Cressida nicht und doch macht sie das Beste aus ihren Szenen, spielt die inneren Kämpfe mit vollem Einsatz. Wie Cressida sich Troilus nicht hingeben will – und ihm doch erliegt. Wie sie ihm treu bleiben will – und als Austauschobjekt des Krieges im feindlichen Lager den Traum von ihm und sich selbst aufgibt. Der Troilus von Oliver Mallison wirbt, gewinnt, verliert, verharrt schuldbewusst in der Pflicht und sucht den Freispruch im Kämpfen.
Ein Eimer mit Blut wartet auf ihn – wie ein Happening in einer Kunst-Installation inszeniert Perceval den Schluss, Brechreiz garantiert. Nun: Ein Stück über den Krieg muss wohl unwohl machen. Insofern ist seine Inszenierung ein Erfolg.
Michael Stadler
Heute, 19.30 Uhr, 7. und 12.6., 20 Uhr, Karten Tel. 233 966 00