Sperrholz im Weltall

Verschenktes Spiel: Nach Lems Buch und Tarkowskijs Film findet „Solaris” am Volkstheater weder Form noch Aura
von  Michael Stadler

Eine Andeutung von Unendlichkeit im Münchner Volkstheater. Rahmen aus Sperrholz führen in die Bühnentiefe, leiten den Blick ins umnebelte Nichts. Ein Laufsteg führt von vorne nach hinten, und vorne steht Snaut, der Wissenschaftler, eine Zigarette rauchend, wobei eine Zigarette nicht ewig hält. Auf einen sichtdurchlässigen Stoff wird das Gesicht von Gibarian projiziert. Er erzählt von einem Erkundungsflug über den Ozean des Planeten Solaris.

Vielschichtig beginnt Bettina Bruiniers Inszenierung von „Solaris” im Volkstheater, Markus Karners Bühnenbild ist eine großartige Konstruktion, in der sich Raumstation, Versuchslabor und Gedankensphäre vereinen. So recht bespielen lässt sich aber dieser Denkkasten scheinbar nicht. Zumindest hat sich Bruinier dafür entschieden, Stefan Ruppe als Snaut und Oliver Möller als Sartorius lange Zeit statisch an den Rändern zu positionieren, als Planeten- oder Menschenerkunder, vielleicht auch Gehirngespinste, jedenfalls festgefroren in einer Inszenierung, die immer mehr an Atmosphäre verliert.

Starre Versuchsanordnung

Die Vorstellung des Planeten reduziert sich auf Lichtwechsel und die Soundwellen, die Robert Merdzo auf seiner Musikstation auf der Bühne erzeugt. Ansonsten erstarrt alles in einer Versuchsanordnung rund um den Psychologen Kelvin, der auf Solaris ankommt und von seiner toten Geliebten Harey heimgesucht wird. Darin liegt bei Lem eine berührende Tragödie, in dem wiederbelebten Traum- und Erinnerungsbild, das seinen existenziellen Schwebezustand erkennen muss. Bei Lenja Schultze ist Harey eine emotionale junge Frau, die auch mal aus ihrer Ohnmacht heraus eine Sperrholz-Platte zerstört, oder „Rede mit mir!” schreit. Da steht ein Twentysomething vor dem Identitäts-Nichts. Aber es gibt keine Aura, kein Geheimnis.

Genauso wenig findet Pascal Fligg für seinen Kelvin eine Form. Die Regie lässt ihn bevorzugt staunen, mit Harey unbeholfen kämpfen, und dann lacht er auch mal irre, weil es ja auch der Wahnsinn sein könnte, der ihn gepackt hat. Neues aus der Bildungsanstalt kann man in dieser Lem-Paraphrase aber kaum entdecken. Ein Spielzeug-Auto lässt Robin Sondermann alias Gibarian in Dauerschleife fahren, während die Spielmöglichkeiten des Theaters an diesem Abend endlich erscheinen.

Volkstheater, nächste Vorstellungen: 30.11., 5., 9., 18.12., Karten Tel.523 46 55

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