Spektakulär oder original?

Das Land am Nil boomt in München: Zwei sehr unterschiedliche neue Ausstellungen in der Ägyptischen Staatssammlung und im Olympiapark
von  Abendzeitung

Das Land am Nil boomt in München: Zwei sehr unterschiedliche neue Ausstellungen in der Ägyptischen Staatssammlung und im Olympiapark

Wer einmal vom Ägyptenfieber erfasst wurde, den lässt es kaum mehr los. Ungehobene Goldschätze beflügeln die Fantasie vom Abenteuer Archäologie, Mumien sorgen für sanften Grusel und die Esoterik raunt vom ewigen Geheimnis der Pyramiden.

Ab 9. April wird im Olympiapark der spektakuläre Nachbau von Tutenchamuns Grabkammer für heftige Schauer sorgen. Schon jetzt vereinen sich unter dem Titel „Last Exit Munich“ rund 50 Objekte des derzeit im Umzug befindlichen Ägyptischen Museum Berlin mit der hiesigen Dauerausstellung in der Residenz. „Was wir hier tun konnten, ist der Traum eines jeden Museums“, sagte Museumsdirektorin Sylvia Schoske bei der Eröffnung. Kritisches über die kommende Kopien-Konkurrenz ist allenfalls an ihren hochgezogenen Mundwinkeln abzulesen. „Bei uns gibt es nur Originale zu sehen“, meint sie mit dem leicht abschätzigen Unterton einer Wissenschaftlerin zu der Repliken-Schau goldener Grabbeigaben im Norden von München.

Dort wird die populäre Inszenierung womöglich übertrieben. Im Ägyptischen Museum fehlt sie jenseits des bemühten Titels „Last Exit“ leider ganz. Zwar werden Audio-Guides angeboten, aber die Abwesenheit erläuternder Zusammenhänge in der Ausstellung erschwert neugierigen Anfängern den Zugang. Allzu ungebrochen herrscht hier der wissenschaftliche Glaube an die alleinseligmachende Kraft des auratischen Originals.

Spektakuläres vom Ketzerkönig

Auch wenn die kostbare Nofretete natürlich in Berlin geblieben ist, sind die gekommenen Objekte spektakulär. Zu sehen ist die Königin auf dem Hausaltar der neuen Sonnenreligion ihres Gatten Echnaton. Auch das lebensnahe Holzporträt seiner gealterten Mutter Teje fand ebenso den Weg an die Isar wie ein Kalksteinrelief des Tutenchamun und seiner Gattin Anchesenamun, auf dem der junge König mit einer Krücke dargestellt ist.

Diese eher kleinen Objekte machen einen Teil der ewigen Ägypten-Faszination deutlich: Die Herrscher sprechen durch die Kunst nach über dreitausend Jahren als lebendige Menschen zu uns. Wenn der Katalog allerdings das Wort des alten Griechen Protagoras vom Menschen als Maß aller Dinge bemüht, spielt er die künstlerische Stilisierung in den Jahrtausenden vor und nach der kurzen Herrschaft des religiösen Revolutionärs Echnaton stark herunter. Die Kunst vom Nil ist fast ausschließlich Staatspropaganda und zeugt von maßloser Verschwendung aller Ressourcen in den Totenkult einer kleinen Elite.

Die Münchner Sammlung ist so naja

Die Berliner Stücke sind während ihres Gastspiels an cremefarbenen Hintergründen erkenntlich. In der direkten Konfrontation zweier Porträtköpfe aus der Amarna-Zeit oder den Sitzfiguren aus dem Mittleren Reich wird schmerzlich fühlbar, dass die hiesige Sammlung aus nicht wirklich erstklassigen Objekten besteht.

Wer sich für das Land am Nil interessiert, sollte beide Ausstellungen im Doppel ansehen. Es lohnt sich aber, mit dem Besuch von „Last Exit“ noch etwas zu warten: Der großartige grüne Kopf eines älteren Mannes der Spätzeit und der im gleichen Bildhaueratelier wie die Nofretete gefundene Porträtkopf Echnatons bleiben bis Ende Mai noch in der Züricher Giacometti-Ausstellung. Erst zu einem späteren Zeitpunkt werden sie dann auch in München zu sehen sein.

Robert Braunmüller

Residenz, Eingang Hofgartenstraße, bis 30. 8. Der Katalog kostet 20 Euro

Aus dem Tal der Könige

Eine Viertelmillion Schweizer ließ sich von der fehlenden Aura des Originals bei der Züricher Premiere nicht stören. Der Name des berühmten Pharao Tutenchamun allein verströmt genug Odem, um der großangelegten Ausstellung Leben einzuhauchen. Ein deutscher Event-Veranstalter investierte rund fünf Millionen Euro, um die Ausstattung des 1922 vom englischen Archäologen Howard Carter im Tal der Könige entdeckten Grabes von Kunsthanderwerkern unter Aufsicht eines Ägyptologen zu kopieren.

Die Schau führt zusammen, was selbst in Ägypten nur getrennt zu sehen ist: die Goldmaske, Sarkophage, Streitwägen, Thronsessel, Schiffsmodelle, Götterstatuen und persönlichen Gegenstände im Kairoer Museum und ihren Fundort in der Nähe der ehemaligen Hauptstadt Theben. Bei einigen Objekten konnten sich Besucher der Anmutung von Plastik zwar nicht entziehen, der Faszination der Fülle tat dies jedoch keinen Abbruch. Die Schau ist bis 30. August in München zu sehen.

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