Späte Versöhnungen

Dieser 58. Berlinale-Jahrgang ist ein besonders guter, mit Wettbewerbsfilmen, deren oft betörende Bilder und reflektive Inhalte das Gedächtnis bereichern. Kino in vielfältiger Ästhetik – so wie Doris Dörries „Kirschblüten – Hanami“.
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Dieser 58. Berlinale-Jahrgang ist ein besonders guter, mit Wettbewerbsfilmen, deren oft betörende Bilder und reflektive Inhalte das Gedächtnis bereichern. Kino in vielfältiger Ästhetik – so wie Doris Dörries „Kirschblüten – Hanami“.

„Kirschblüten – Hanami“ ist der erste, von der internationalen Kritik äußerst freundlich aufgenommene, heimische Wettbewerbsbeitrag.

Wie ist Trauer um geliebte Menschen zu bewältigen, was bleibt übrig von ihnen und der eigenen, oft wenig beachteten Existenz? Diese Fragen sublimiert Dörrie in lakonischem Witz und klassischer Tragik.

Den Traum längst aufgegeben

Der bayerische Beamte Rudi (Elmar Wepper) ist krebskrank. Nur seine Frau Trudi (Hannelore Elsner) weiß es. Sie entscheidet sich, zu schweigen und Rudi aus seiner Lethargie zu lösen. Trudi hat ihren Traum von Japan, dem Butoh-Tanz, dem Berg Fuji, der Kirschblüte längst aufgegeben. Im Allgäu blüht der goldgelbe Löwenzahn, in Berlin hat Trudi ein Treffen mit Tochter Karolin und Sohn Klaus arrangiert, aber die sind mit eigenen Problemen beschäftigt.

Als Trudi ganz plötzlich bei einem Ausflug an die Ostsee stirbt, ist Rudi so alleingelassen, dass er alles riskiert. Er reist nach Japan, findet Unterschlupf in Tokio beim jüngsten Sohn Karl (Maximilian Brückner), ebenso einsam wie er und verstrickt in globale Geschäfte. Das traditionelle japanische Kirschblüten-Fest absolviert Rudi im Suff, aber im Park trifft er später die obdachlose junge Butoh- Performerin Yu, die ihn sprachlos versteht. Diesen traurigen Rudi, der die Kleider seiner toten Frau trägt, den sie begleitet zum Fuji, wo sich die Nebel lichten bis zu einem fantastischen letzten Tanz mit Trudi. Eine der vielen unvergesslichen Szenen dieses Films.

„The Song of the Sparrows“

Der 49-jährige Iraner Majid Majidi findet für Alltagsgeschichten aus seiner Heimat hinreißende Bilder – wie das Ballett der Strauße zu Beginn von „The Song of the Sparrows“. Familienvater Karim arbeitet gerne auf der Straußenfarm. Da macht sich einer der Riesenvögel davon, und Karim wird gefeuert.

Als er in die Stadt fährt, tut sich überraschend eine neue Einnahmequelle auf. Fortan wird Karim täglich auf seinem alten Motorrad eilige Geschäftsleute, Kühlschränke oder Computer durchs Verkehrschaos transportieren. Der Umgang mit den Stadtmenschen, Demütigungen und Versuchungen verändern Karim, machen ihn grob und ungeduldig. Erst durch einen Unfall erkennt er, was er an seiner Familie hat. Ein humorvolles und in bewusst naiver Art gehaltenes Plädoyer für das Glück in Bescheidenheit.

"Fireflies in the Garden"

Ambitioniertes Arthouse- Kino hingegen bringt US-Autorenfilmer Dennis Lee in seinem Debüt „Fireflies in the Garden“, dem Porträt einer Familie, die unter ihrem despotischen Patriarchen leidet. Uni- Professor Charles (Willem Dafoe) reagiert seinen enttäuschten Ehrgeiz vor allem an Sohn Michael ab, aber auch an Ehefrau Lisa (Julia Roberts, von Kamera-Ehemann Danny Moder in bestes Licht gerückt).

Zu einem Familientreffen im Haus von Julias Schwester Jane (Emily Watson) fliegt Michael (Ryan Reynolds), inzwischen Schriftsteller in New York, in den Mittleren Westen. Die Eltern hatten kurz vor der Ankunft einen schweren Autounfall, bei dem Lisa stirbt. Alte Familienkonflikte brechen wieder auf, Michael erinnert sich an traumatische Jugenderlebnisse und den Sommer, als seine geliebte Mutter Charles verlassen wollte.

„Elegy“

Die spanische Regisseurin Isabel Coixet („Mein Leben ohne mich“) markiert mit ihrer ersten US-Produktion „Elegy“, der Adaption des Romans „Sterbendes Tier“ von Philip Roth, einen neuen Berlinale- Höhepunkt. Roths gnadenlos klarsichtige Betrachtungen über Liebe, Altern, Sex setzt die Regisseurin in Gefühlskino um.

Ein bittersüßer Nachhall von Vergänglichkeit: Der geschiedene New Yorker Literaturprofessor David Kepesh (brillant: Sir Ben Kingsley), ein notorischer Verführer und Verweigerer (die Ehe sei ein „Hochsicherheitstrakt“), findet in der 30 Jahre jüngeren kubanischen Studentin Consuela (Penélope Cruz) ein Objekt der Begierde, das bald zur Herausforderung wird. Denn Consuela ist klug, freimütig und von einem Liebreiz, der David überwältigt. Er verliebt sich, tappt in die Eifersuchts- Falle.

Weder die emanzipierte Dauergeliebte noch sein einziger Freund George (Dennis Hopper) können helfen. Consuela verschwindet aus Davids Leben. Er leidet wie ein Tier. Dann stirbt George – und Consuela meldet sich nach zwei Jahren zurück. Sie hat eine schlechte Nachricht und eine außergewöhnliche Bitte. David wird die in einer Weise erfüllen, wie Frauen sich das wünschen.

Angie Dullinger

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