Sophie Charlotte - Sisis leidenschaftliche Schwester

Der Münchner Historiker Christian Sepp hat eine packende Biografie über die Verlobte von Ludwig II. geschrieben
von  Volker Isfort

Der Münchner Historiker Christian Sepp hat eine packende Biografie über die Verlobte von Ludwig II. geschrieben

Die Münchner Schaufenster waren im Sommer 1867 voll mit Lithographien und Bildern des „glücklichen Paares“, die Vorbereitungen auf die Hochzeit liefen auf Hochtouren. Doch König Ludwig II. ließ den Vermählungstermin mit Sophie Charlotte zwei mal verschieben, bis er die Verlobung nach 259 Tagen ganz auflöste. Statt einer bayerischen Königin wurde die Herzogin in Bayern eine Frau, deren Bild von ihrer zehn Jahre älteren Schwester, Kaiserin Sisi, nahezu vollständig verdeckt wurde. Dabei eint die beiden nicht nur ihre Schönheit, sondern auch das als unglücklich empfundene Leben nach der ungezwungenen Kindheit auf Schloss Possenhofen – und der tragische Tod.

Der Münchner Fotograf Heinz Gebhardt veröffentlichte in den 80er Jahren Briefe Sophies an den Fotografen Edgar Hanfstaengl, die etwas Erstaunliches enthüllten. Schon während ihrer Verlobungszeit mit König Ludwig II. hatte sich Sophie in den Bürgerlichen verliebt. Ob dies allerdings der König wusste, kann auch Christian Sepp nicht herausfinden, der Sophie Charlotte mit einer neuen, überaus sorgfältigen und unterhaltsamen Biografie aus dem Korsett von Gerüchten und falschen Vorstellungen befreien möchte.

Während Sophie glühende Liebesbriefe an Hanfstaengl verfasst, ihn aber nur unter größten Schwierigkeiten geheim sehen kann, ist auch der König selbst unsterblich verliebt – in den Bereiter Richard Hornig, den er später zum Stallmeister und sogar zu seinem Privatsekretär macht.

So groß der Skandal der abgesagten Hochzeit auch ist, der König fühlt sich wie von einer Zentnerlast befreit: „Ich athme wieder frei auf, erwache wie aus düsterem Traume (...) wie genesen nach lebensgefährlicher Krankheit fühle ich mich“, schreibt er an Richard Wagner. Er sollte sich nie wieder auch nur in die Nähe einer Ehe begeben.

Diagnose "unzurechnungsfähig"

Sophie Charlottes Mutter, Herzogin Ludovica, aber versucht alles, den gesellschaftlichen Skandal schnell zu überwinden. Schon ein Jahr später wird der französische Adlige Ferdinand von Alençon in der Schlosskapelle von Possenhofen mit Sophie vermählt, neun Monate später bringt Sophie ihre Tochter Louise zur Welt. Doch die Erfüllung findet Sophie in dieser Verbindung nicht. 1886 verursacht sie einen Skandal, der quer durch die europäische Presse geht. Erneut verliebt sich die freigeistliche Herzogin in einen Bürgerlichen, diesmal in den (verheirateten) Münchner Frauenarzt Dr. Glaser.

Die Familie greift ein und lässt Sophie Charlotte als „unzurechnungsfähig“ einstufen, die ärztliche Diagnose lautet „moral insanity“, erstellt vom Schwiegersohn Bernhard von Guddens – jenes Mannes, der Ludwig II. entmündigt hatte.

Sophie wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen, ihr Mann ist nicht bereit, sie gehen zu lassen. Sophie erkennt resigniert, dass sie in dieser Gesellschaft keine Chance hat, ihr Leben nach ihren Wünschen zu leben, und fügt sich in ihr Schicksal. Die tiefgläubige Frau hat – im Gegensatz zu ihrer Schwester Sisi – ein ausgeprägtes emphatisches Wesen und engagiert sich als Dominikanerin gegen die Armut. Am 4. Mai 1897 arbeitet sie auf einem Wohltätigkeitsbasar in Paris, als der hölzerne Bau Feuer fängt. Über einhundert Menschen verbrennen, darunter die Herzogin. Mit seinem Buch über eine moderne  Frau in  einer zu starren Gesellschaftsordnung schließt Christian Sepp nun eine Lücke in der bayerischen Geschichtsschreibung.

Christian Sepp: „Sophie Charlotte – Sisis leidenschaftliche Schwester“ (August Dreesbach Verlag, 288 Seiten, 24 Euro)

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