Soko Shakespeare
Wenn zwei Erfolgsserien sich gegenseitig besuchen: Die Leipziger „Soko“ und die Briten von „The Bill“ ermitteln gemeinsam in einem länderübergreifenden Projekt
Andreas Schmidt-Schaller kann kein Englisch. Muss er auch nicht, verstehen die Verdächtigen, die der 63-jährige Sachse als „Soko Leipzig“-Chef Hajo Trautzschke regelmäßig verhört, doch in der Regel auf Deutsch. Jetzt aber wagte das ZDF ein ungewöhnliches Krimi-Experiment. Der Sender schickte sein Soko-Team nach London, wo es gemeinsam mit den Ermittlern der britischen Krimi-Hitserie „The Bill“ die Entführung von Trautzschkes Patentochter (Anna Maria Mühe) aufklärt. „Soko Leipzig – The Bill: Entführung in London“ haben 5,8 Millionen britische Zuschauer bereits im November gesehen. Das ZDF zeigt den 90-Minüter nun am Freitag zum Auftakt der neuen Staffel.
Verständlich zwar, dass die Briten bei der Aussprache des Zungenbrechers Trautzschke krampften. Sie waren aber dennoch klar im Vorteil: Gedreht wurde nämlich auf Englisch. „Das war der Moment, der mir die Schweißperlen auf die Stirn trieb“, sagt Schmidt-Schaller. „Ich hatte nie Englisch.“ Mit seiner Tochter Petra Schmidt-Schaller – die 29-Jährige hat für ihre Rolle in der Walser-Verfilmung „Ein fliehendes Pferd“ den Bayerischen Filmpreis bekommen – habe er sich deshalb stundenlang zusammengesetzt. Sie hat ihm nicht nur das Drehbuch übersetzt, sondern die Texte des Vaters auch auf ein Tonband gesprochen. So konnte sich Schmidt-Schaller die englischen Sätze immer wieder anhören und an seiner Aussprache feilen.
Aber auch die englischen Kollegen wollten den Sachsen unterstützen. „Simon Rouse, der den Chef von ,The Bill’ verkörpert, heftete sich sogar Merkzettel an seine Brust, damit ich den englischen Text einfach ablesen konnte“, erzählt Schmidt-Schaller, der seit 2001 den „Soko Leipzig“-Chef spielt. „Aber das funktionierte nicht, denn ohne Brille sehe ich einfach nichts. Da war das Gelächter natürlich groß.“
Waffen abgeben in London
Trotz aller Schwierigkeiten, das Experiment ist geglückt. Auch wenn es den ein oder anderen weniger gelungenen Dialog im Krimi gibt. „Wenn wir den Deutschen nicht helfen, schicken sie uns wieder ein paar V2-Raketen“, heißt es beispielsweise. Den Teil des Drehbuches, der in London spielt, hat ein Engländer verfasst. In der zweiten Hälfte der Serienverschmelzung statten die „The Bill“-Ermittler den Leipzigern einen Gegenbesuch ab. Den schrieben deutsche Autoren auf – auch weil es signifikante Unterschiede zwischen deutschen und britischen Krimiserien gibt.
„Deutsche Polizisten sind bewaffnet und britische nicht“, sagt der englische Autor Steve Bailie. „In Großbritannien haben wir dafür ein ausgedehntes Netz an Überwachungskameras.“ Die „Soko“-Kommissare mussten also ihre Waffen in London abgeben. Und die „The Bill“-Ermittler konnten bei ihrer Arbeit in Leipzig nicht wie üblich auf Überwachungsbilder zurückgreifen.
Spaß aber hat es allen Beteiligten gemacht. Rouse, der seit 16 Jahren in „The Bill“ spielt, meint sogar: „Das hier ist die beste Erfahrung, die ich je gemacht habe.“ Und Schmidt-Schaller ist trotz großer Sprachbarriere zum Fan der englischen Metropole geworden. „Mit meiner Frau fliege ich immer wieder mal ein Wochenende nach London. Dann sehen wir uns ein Shakespeare-Stück im Original an“, sagt er und fügt freimütig an: „Und ich genieße einfach den Klang der Worte.“
Angelika Kahl
Freitag, 20.15 Uhr, ZDF