Soap&Skin: Im Rausch der Musik
Pathosgetränkter Kammerpop von einem anämischen Todesengel: Die Sängerin Soap&Skin tritt am Samstag im Feierwerk auf.
Wenn Plattencover etwas über einen Künstler aussagen, dann stünde Soap&Skin kurz vor dem Selbstmord. Die österreichische Sängerin präsentiert sich auf ihrem Debütalbum „Lovetune for Vacuum“ schonungslos als anämischer Todesengel: Leichenblass, mit müden Augen, aufgesprungenen Lippen und einem nachtschwarzen Haarknäuel auf dem Kopf.
Wer sich so mutig Marktgesetzen und Schönheitsidealen der Popwelt widersetzt, muss etwas zu erzählen haben. Und die Entstehungsgeschichte von Soap&Skin, dem außergewöhnlichen Musikprojekt der erst 19-jährigen Anja Plaschg, liest sich wahrlich wie ein Filmdrehbuch.
Sie ließ sich nackt zwischen blutbesudelten Tieren ablichten
Auf der ersten Seite des Scripts winkt von weitem Österreichs Aushängeschild Arnold Schwarzenegger. Denn auch Plaschg wuchs in der beschaulichen Steiermark auf.
Sie lernt mit sieben Jahren das Klavierspielen, zeigt auf der elterlichen Schweinemastfarm früh ihren Hang zum Morbiden, als sie sich nackt zwischen blutbesudelten Tieren ablichten lässt. Mit 16 verlässt Plaschg, bei der als Kind ein Loch in der Herzklappe festgestellt wurde, ohne Abschluss die Schule, um an der Wiener Akademie der Künste zu studieren. Während dieser Zeit malt sie kein einziges Bild, wird von Starprofessor Daniel Richter aber in ihrer Musikkarriere gefördert. Die Internetplattform MySpace macht Plaschg und ihre minimalistischen Eigenkompositionen populär. Im Sommer 2006 veröffentlicht das Berliner Elektro-Label Shitkatapult ihre anrührende Piano-Ballade „Mr. Gaunt PT 1000“ auf einem Sampler. Dann geht alles blitzschnell. Eine Eloge nach der anderen wird über das „neue österreichische Wunderkind“ geschrieben. Kurz darauf erhält Plaschg ihren ersten Plattenvertrag.
Quälende Klagelaute, zartes Wispern und intensives Schreien
Doch was macht die Musik von Soap&Skin so besonders? Was lässt die Menschen bei ihren rar gesäten Solo-Konzerten das Atmen vergessen? Es ist ihre Kunst, sich als Schmerzensfrau am Klavier zu stilisieren. Soap&Skin schockt, rührt und fasziniert. In den besten Momenten erinnert ihr englischsprachiger, pathosgetränkter Kammerpop an Antony & The Johnsons. Ihre Stimme wechselt dabei von quälenden Klagelauten zu zartem Wispern – bis Soap&Skin mit intensiven Schreien die Harmonien zum Bersten bringt. Ein musikalischer Horrorfilm gepaart mit der schwarzen Romantik eines E.T.A Hoffman. Die 13 Stücke ihrer Platte tragen vielsagende Titel wie „Thanatos“ oder „Cry Wolf“. Sie kombinieren melancholische Piano-Passagen mit elektronischen Einsprengseln. Bereits auf CD treffen diese verstörenden Songs tief ins Mark. Aber erst auf der Bühne wagt Soap&Skin den vollständigen Seelenstriptease, wird Anja Plaschg zum Erlebnis, wenn sie klirrend-kalte Ruhemomente mit fieberhaft ekstatischen Ausbrüchen mischt.
Florian Koch
Feierwerk (Hansa 39), Hansastraße 39, Samstag, 20 Uhr, Eintritt: 20/24 Euro, Infos: www.feierwerk.de