So trinkt sich die Welt schöner
Da blähen sich die Segel, im Takelwerk hängen hübsche Matrosen und an Deck warten schon die Soldaten, dass es endlich losgeht. Eine Armada steht bereit für die große Schlacht. Fragt sich nur, welche? Klassisches Kampftrinken dürfte mit den kunstvollen Schiffen wenig zielführend gewesen sein. Zu leicht verheddert man sich mit der Nase im filigranen Tau. Und wer weiß, wohin der Wein schwappt, wenn die Fein- in Grobmotorik übergeht. Man darf also davon ausgehen, dass die Schiffspokale mit all ihrem Zierrat der Repräsentation dienten. Wie die meisten der rund 80 Gefäße, die jetzt im Bayerischen Nationalmuseum zu sehen sind.
Diese Prachtexemplare der Gold- und Silberschmiedekunst stammen aus der Sammlung des Bielefelder Backpulverkönigs Rudolf-August Oetker. Der Multimillionär des 20. Jahrhunderts hatte ein Faible für das, was vergleichbar finanzstarke Patrizier und Fürsten der Renaissance und des Barock in Auftrag gaben. Kaum, um daraus wirklich zu trinken, sondern um mit immer neuen Raffinessen vor der Konkurrenz zu glänzen. Sei es bei Einladungen und Staatsbanketten, um mit hochkarätigen Mitbringseln erste diplomatische Schritte einzuleiten oder einen Kriegsherrn gnädig zu stimmen.
Die Edelmetallschmiede aus Augsburg und Nürnberg waren hier ganz besonders gefragt. Sie versorgten Europas Upperclass mit immer ausgefalleneren Schalen und Bechern, Kelchen und Pokalen. Wobei die Einarbeitung von Exotika wie Kokosmüssen, Straußeneiern oder Nautilusmuscheln der letzte Schrei gewesen sein dürfte. Und die Kunststücke, die daraus entstanden, muss man sich schon etwas genauer ansehen, um deren Details zu erfassen.
Wie und aus welchen Materialien diese Kabinettstücke entstanden, zeigt der zweite Teil der Ausstellung. Hier sind zudem historische und aktuelle Silberbecher aus Museumsbeständen und von Mitgliedern des Bayerischen Kunstgewerbevereins zu sehen. Manchmal fällt es tatsächlich schwer, das Alte vom Neuen zu unterscheiden. Und nach all dem überbordenden Prunk ist die silberne Schlichtheit in gewisser Weise Erholung fürs Auge.
Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstraße 3, bis 29. Juli 2012, Di bis So 10 bis 17, Do bis 20 Uhr, Katalog (Hirmer Verlag) 29.90 Euro
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