So schwer wiegt die Liebe

Ein Spaziergang mit dem Bestseller-Autor Ken Follett im nordfranzösischen Mont Saint-Michel - auf den Spuren seines Buches »Die Tore der Welt«.
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Ein Spaziergang mit dem Bestseller-Autor Ken Follett im nordfranzösischen Mont Saint-Michel - auf den Spuren seines Buches »Die Tore der Welt«.

Wer sich für mittelalterliche Architektur begeistert, kommt um den nordfranzösischen Mont Saint-Michel nicht herum. Das gilt auch für Bestsellerautoren. Ken Follett, britische Bestseller-Schriftsteller, geht jedoch nicht einfach durch das Benediktinerkloster auf der Insel im Ärmelkanal, nein, er schreitet. In dunklem Anzug, Mantel und Burberry-Schal passiert er den Kreuzgang, den ehemaligen Speisesaal der Mönche, den Gästesaal. Bis er von einem jungen italienischen Touristen aufgehalten wird: „Mister Follett, ,Die Säulen der Erde’ ist mein Lieblingsbuch. Ich habe es immer bei mir, auch jetzt. Würden Sie mir ein Autogramm reinschreiben?“

Man ahnt, was ein Roman einem Menschen bedeuten muss, der ihn trotz seiner etwa 1000 Seiten seit Jahren mit sich herumträgt, selbst die mehreren hundert Stufen zum Mont Saint-Michel hinauf. Auch im deutschsprachigen Raum war der Historienschmöker ein unglaublicher Erfolg: 3,8 Millionen beträgt die Auflage heute, 18 Jahre nach der Veröffentlichung. Jetzt hat Ken Follett die von vielen ersehnte Fortsetzung verfasst. „Die Tore der Welt“ spielt ebenfalls in dem fiktiven Städtchen Kingsbridge, aber die Figuren sind andere.

„Als ich mich entschloss, doch eine Fortsetzung zu schreiben, stand ich vor zwei Problemen. Erstens konnte es nicht schon wieder um den Bau einer Kathedrale gehen, zweitens waren alle Charaktere sehr alt oder tot“, resümiert Follett. Also machte er einen Zeitsprung von 200 Jahren und erweckte die Nachfahren der Figuren zum Leben:

Caris, eine temperamentvolle, heilkundige Frau. Merthin, ein begabter Architekt. Ralph, sein Bruder, der ein grausamer Ritter wird. Gwenda, eine Bäuerin mit großem Herzen und Hang zur Rebellion. Philemon und Godwyn, die machtgierigen Mönche. Von letzterem vermuteten viele, er sei Tony Blair nachempfunden, mit dem Labour-Mitglied Follett nie einverstanden war. „Ich habe schon an ihn gedacht beim Schreiben“, räumt der Autor ein, „aber auch an andere Politiker.“

Die Figuren kämpfen gegen die Pest, um die Macht, für ihre persönliche Freiheit, gegen einander. Und stets für Kingsbridge, die britische Stadt, die es nur in Folletts Fantasie gibt. Die Inspiration dafür zog er aus Orten wie dem Mont Saint-Michel: „Wenn man hier umherläuft, ist es sehr leicht, sich die Mönche vorzustellen, wie sie essend im Speisesaal sitzen, singen, lesen, schreiben. Ich schaue mir auch gerne Kathedralen an. In Köln gehe ich immer in den Dom und denke: Das ist großartig. Ich muss noch mehr Romane über Kathedralen schreiben.“

Ken Folletts Erfolg hat seinen Lebensstil eindeutig geprägt. Als er, 1949 in Cardiff, Wales, geboren und 1959 mit den Eltern nach London übersiedelt, mit 19 Jahren als Philosophiestudent mit Frau und Baby in einer Einzimmerwohnung lebte, hätte er sich seinen jetzigen Reichtum kaum vorstellen können.

Für eine Trilogie über das 20. Jahrhundert, mit der er gerade begonnen hat, sammelten seine Agenten jüngst 49 Millionen Euro Vorschuss ein – von Verlagen aus der ganzen Welt, die das Buch drucken möchten. Da Follett mit seinen 58 Jahren erst kurz vor der Schwelle zwischen Dandy und distinguiertem Herren steht, nutzt er diese Summen für klassische Männerträume – er ist mit dem Maserati angereist. Seine Popularität setzt er dagegen gerne politisch ein. Für eine Initiative gegen Legasthenie sammelt er Geld, außerdem unterstützt er seine Frau Barbara, die Ministerin für Gleichstellung ist.

In „Die Tore der Welt“ herrscht dagegen keine Gleichstellung. Wie es auch in Folletts Thrillern häufig der Fall ist, sind die Helden weiblich. Caris, die komplexeste Figur des Buches, muss ins Kloster eintreten, um ihr Leben zu schützen. Dort verschafft sie sich ebenso Achtung wie in der Stadt. Nur ihrer großen Liebe stehen die Klostermauern im Weg. Auf über 1000 Seiten wird ihre Geschichte erzählt, stets eng verknüpft mit den Erlebnissen der anderen Figuren. „Ich versuche, auf jede Seite etwas zu schreiben, das den Leser zum Weiterlesen bewegt“, erklärt Follett seine Erfolgsformel. Schlicht, aber effektiv: Selbst wer historische Romane nicht besonders schätzt, wird sich dieser Spannung schwer entziehen können.Julia Bähr

Ken Follett: „Die Tore der Welt“ (Lübbe, 1120 Seiten, 24.95 Euro)

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