So ist sein neuer Roman "Elefant"

Heute erscheint Martin Suters Roman „Elefant“, in dem ein winziger Dickhäuter zu einem Objekt der Begierde wird
Philipp Seide |
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Der Schriftsteller Martin Suter.
dpa Der Schriftsteller Martin Suter.

Heute erscheint Martin Suters Roman „Elefant“, in dem ein winziger Dickhäuter zu einem Objekt der Begierde wird

Man kann die Tochter des Schriftstellers nur zu gut verstehen – den Vater allerdings auch: Martin Suter bittet sie im Nachwort seines neuen Romans um Verständnis dafür, dass er ihr nie einen kleinen lebenden rosa Elefanten schenken werde.

Und warum auch sollte es der Tochter anders gehen als dem Leser? Der wünscht sich nämlich schon nach wenigen Seiten des Romans ebenfalls einen rosa leuchtenden Mini-Elefanten, weil er so unglaublich niedlich ist.

Womit wir beim Grundkonflikt des Romans „Elefant“ wären: Der Wissenschaftler Roux hat – mehr oder weniger zufällig – einen rosaroten Mini-Elefanten geschaffen, der im Dunkeln leuchtet. Von dieser Erfindung erhofft er sich ein Vermögen, indem er es als lebendes Spielzeug in alle Welt verkauft.

In der Welt der Obdachlosen

Doch sein Objekt der Begierde, diese wissenschaftliche Sensation, wird gleich nach der Geburt entführt von Kaung, einem indischen Elefantenflüsterer, der die Leihmutter des Elefäntchens betreut. Für ihn ist das Mini-Wesen heilig.

Aber auch der muss es erst einmal wiederfinden, denn das Elefäntchen steht eines Morgens in der Höhle des Obdachlosen Schoch, der sich des Wesens annimmt, nachdem er es zunächst für eine Halluzination im Alkoholrausch gehalten hat.

Was soll man denken, wenn man aufwacht und ein leuchtender Mini-Elefant steht vor einem? Schoch jedenfalls sieht darin ein Zeichen: „Dass sich dieses Fabelwesen aus einer anderen Welt, vielleicht sogar aus einer anderen Dimension, ihm, ausgerechnet ihm, offenbarte, musste eine Bedeutung haben.“ Schoch nennt das Tierchen Sabu, nach einem Elefanten, der aus einem Zirkus weggelaufen war – und der ihm imponiert hatte: „Er war, wie er, aus einem komfortablen Leben abgehauen.“

Für den einen ist das Tierchen Geld, für den anderen ein Heiligtum, für den Dritten der Weg zurück in die Gesellschaft.

Die Machenschaften der Gentechnik

In „Elefant“ führt der Schweizer Bestseller-Autor Suter seine Leser einerseits in die Züricher Obdachlosen-Szene ein, andererseits in die Möglichkeiten und Machenschaften der Gentechnik-Industrie – er schildert einen Konflikt zwischen Arm und Reich. Hauptschauplatz ist Zürich, aber die Gentechnologie, die Entschlüsselung genetischer Codes, ist, so erfährt man, vor allem in China längst ein gigantisches Geschäft, das auch für das Militär interessant ist. Und dann wird es meist problematisch.

Suter baut die Geschichte über verschiedene Vor- und Rückblenden auf, schildert einzelne Szenen aus der Perspektive verschiedener Personen.

Auf diese Weise gewinnt die Jagd nach dem Tier beziehungsweise die Flucht vor den Jägern an Fahrt. Suter stellt den Stand der Genforschung gerade so weit vor, wie er es für die Spannung in der Geschichte braucht. Auch die Frage nach dem Glauben und der Moral wird nur angeschnitten: Weiß der Elefant, dass er so klein ist? Muss man ihm trotzdem so viel Respekt entgegenbringen wie einem großen? Darf man überhaupt genetisch an Tieren herummanipulieren?

Auf der Seite der Guten

Wobei Suter keinen Zweifel daran lässt, auf welcher Seite sein Erzähler steht: Die Wissenschaftler sind hier die Bösen, die Elefantenschützer die Guten. Über den fiesen Stroux lässt er einen Tierarzt sinnieren: „Hier hatte einer nicht in die Natur eingegriffen, um einen wissenschaftlichen Fortschritt zu erzielen, der Krankheiten heilen oder Leben retten sollte. Er hatte es getan, um eine Sensation zu erzeugen und damit womöglich ein Vermögen zu machen.“

Das Katz- und Maus-Spiel zwischen gierigen Gentechnikern und einfühlsamen Tierfreunden, das ein überraschendes Ende findet, zu verfolgen, ist eine helle und erhellende Freude.

Martin Suter „Elefant“ (Diogenes, 352 Seiten, 24 Euro)

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