So gefährlich ist das TTIP-Abkommen mit den USA
Es droht die Aushöhlung der Demokratie: Thilo Bode warnt in seinem Buch "TTIP - Die Freihandelslüge" vor dem geplanten Abkommen mit den USA
Die Politiker wissen es ganz genau: Von „gewaltigen Vorteilen“ ist die Rede, „Millionen neuer Arbeitsplätze“ werden versprochen, „Milliarden mehr Umsatz“. Die Rede ist von der Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP, dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union, das derzeit verhandelt wird.
Die optimistischen Prognosen haben allerdings einen entscheidenden Nachteil: Sie sind pure Behauptung und nicht einmal durch das von der EU selbst in Auftrag gegebene Gutachten ansatzweise gedeckt.
Gute und belegbare Gründe gegen TTIP hat hingegen Thilo Bode gesammelt und nun in seinem Buch „TTIP – Die Freihandelslüge“ veröffentlicht. Der langjährige Geschäftsführer von Greenpeace und Gründer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch weist jeden plumpen Antiamerikanismus weit von sich. Er ist auch kein Gegner von Handelsabkommen und nicht einmal sicher, ob das vieldiskutierte „Chlorhühnchen“ amerikanischer Produktion ungesünder ist als das „Antibiotikahühnchen“ aus europäischer Massentierhaltung.
Mittelständler werden ausgeschlossen
Warum überhaupt ein Vertrag zweier bestens miteinander verzahnter Wirtschaftssysteme, die schon heute täglich Waren im Wert von zwei Milliarden Euro handeln? Bode ist sich sicher: Nicht im Sinne der Bürger wird hier vornehmlich zwischen Lobbyisten, Wirtschaftsvertretern und Politikern verhandelt, sondern im Sinne der Konzerne. Dass dies hauptsächlich im Geheimen passiert, erzürnt EU-Parlamentarier ebenso wie Kongressabgeordnete in Washington. Auch der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft ist alarmiert: Rund 600 offizielle Berater von Großkonzernen haben privilegierten Zugang zu den Dokumenten und Entscheidungsträgern, der Mittelstand aber hat weder ein Informations- noch Mitspracherecht.
In vielen Fallbeispielen weist Bode nach, wie mühsam erstrittene Verbraucher- und Umweltschutzstandards möglicherweise an Stellenwert verlieren könnten. Ganz besonders aber stößt sich Bode am „I“ in TTIP. Denn das Investment, besser gesagt der Schutz für die Investoren, führt in diesem Abkommen zu nichts anderem als einer Aushöhlung der Demokratie, oder, wie es Jürgen Borchert, langjähriger Richter am hessischen Landessozialgericht beschreibt: „Bei genauerer Betrachtung handelt es sich vielmehr um ein Abkommen zur Durchsetzung eines globalen Anlegerschutzes durch Fesselung der demokratischen Risiken.“
Das Grundgesetz als Folklore
Konzerne können verstärkt für entgangene Umsätze gegen Staaten vorgehen. Deren eigene Rechtsprechung spielt keine Rolle mehr, denn entschieden wird – auch bei Milliardenklagen – im Schiedsgerichtsverfahren mit zwei Anwälten und einem Schiedsrichter. Revision ist unmöglich. Ein grandioses Geschäft – zumindest für die drei Kanzleien, die seit 2011 rund 130 dieser Fälle bearbeiten, und die fünfzehn Schiedsrichter, die mehr als die Hälfte aller Fälle aus dem TTIP-Raum betreuten. Das Grundgesetz kann dann als reine Folklore ad acta gelegt werden. Bode zitiert den US-Ökonomen Joseph Stieglitz: „Ziel (von Investitionsabkommen) ist es, Regierungen einzuschränken bei Regulierungen und Unternehmensbesteuerungen. Mit Hilfe von Investitionsabkommen versuchen Konzerne durch die Hintertür etwas zu erreichen, was sie im offenen politischen Prozess nicht erreichen würden.“
Was unsere gewählten Volksvertreter, allen voran Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dazu treibt, so massiv im Verborgenen die Aushöhlung der Demokratie zu forcieren? Wer Bodes sehr anschaulich geschriebenen Exkurs in die Untiefen von TTIP liest, schläft jedenfalls deutlich schlechter.
Thilo Bode stellt „TTIP – Die Freihandelslüge“ (DVA, 268 Seiten, 14,99 Euro) am 19. März um 20 Uhr im Literaturhaus vor