Kritik

"Smoke Sauna Sisterhood": Lachen, zuhören, weinen

Ein Dokumentarfilm über einen Ort weiblichen Vertrauens
Margret Köhler |
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In der einfachen Holzhütte im WaldSüdestlands entsteht inaller Ruhe größte Offenheit.
Amts Tammik /Neue Visionen In der einfachen Holzhütte im WaldSüdestlands entsteht inaller Ruhe größte Offenheit.

Es ist eine besondere, eigene Welt, diese halbdunkle Rauchsauna, die Hitze und der Dampf. Und dann dieses sanfte Flüstern, das befreiende Lachen, das tiefe Durchatmen, auch mal ein leises Schluchzen. Ein "heiliger Ort zur Selbstreinigung" nennt es eine Stimme im Off, früher wurden dort sogar Geburten vorgenommen und Totenwaschungen durchgeführt. Ein Ort der Wahrheit und Solidarität, an dem sich in Anna Hints dokumentarischem Meisterwerk (dazu ein Debütfilm) über Jahre hinweg Frauen aller Altersgruppen und sozialen Schichten versammeln.

In der einfachen Holzhütte im Wald Südestlands vertrauen sie einander, brechen ihr oft langes Schweigen, reden ehrlich miteinander, hören einander aufmerksam zu ohne zu urteileilen oder denken einfach nur nach.

Im Winter taucht man in das in den See geschlagene Eisloch, im Sommer schwimmt man, ruht entspannt im Gras, immer eins mit der Natur.

Beim Entstehen der verschworenen Gemeinschaft bleibt die Kamera von Amts Tammik ohne Voyeurismus diskret, ob dick oder dünn, alt oder jung, jede Frau behält ihre Würde. Körperliche Nacktheit geht einher mit seelischer Freiheit, mit Verwundbarkeit und seltener Intimität, handelt es sich doch nicht nur um die äußerliche Reinigung, sondern auch um das "Ausschwitzen" von verdrängtem Leid. Weibliche Erfahrungen und Traumata wie Abtreibung oder Coming Out werden nicht als Anklage larmoyant verpackt, sondern als Mosaiksteinchen im Prozess einer Befreiung und Selbstermächtigung. Die Gespräche kreisen um strenge Erziehung, gesellschaftliche Schönheitsideale, Gewalt im patriarchalen System und Rollenerwartungen, um Beziehung, Sex, Krankheit und Trauer, um Scham und Schuld.

Erschütternd sind die Erinnerungen einer Frau an ihre Totgeburt, wie sie das erst warme, dann immer kälter werden Wesen im Arm hielt und darüber grübelt, ob durch die Geburtsschmerzen der Schmerz über den Verlust vielleicht schon etwas weggespült wurde.

Aber dann wird auch wieder locker geplaudert über Tinder-Treffen oder sich über einen Typen kaputt gelacht, der beim Sex lustige Sachen forderte. Ein spannender Mikrokosmos mit bewundernswert mutigen Frauen. Die Rauchsauna steht übrigens auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes.

Kino: Arena, Maxim (beide OmU)
R: Anna Hints (EST, FIN, 89 Min.)

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