Singspielereien
Die Dietrich, die Knef oder Frank Sinatra waren auf der Leinwand und der Schallplatte Superstars. Heute scheint der künstlerischeSpagat deutlich schwieriger geworden zu sein
Mit einer hochgetrimmten Lolita-Piepsstimme fing es im Tonfilm an – 1929. Sternberg wollte sie nicht, der Drehbuchautor setzte dennoch Probeaufnahmen durch – und schon da sitzt sie rauchend raunzend, aber mit Lidklimpern expressiv auf dem Klavier: Marlene Dietrich (1901 - 1992) in ihrer Durchbruchsrolle als Lola im „Blauen Engel“ – der Beginn einer doppelten Weltkarriere mit langen Leinwandbeinen und gefeierten Gesangs-Shows.
Aber dieser Star-Spagat gelingt nicht immer, wie Uwe Ochsenknecht erfahren musste, als ganze 9 Karten für sein Münchner Konzert im Vorverkauf einen Fan fanden.
Wie die Dietrich uns in Erinnerung blieb
Meistens sollen Gesangseinlagen die schwächelnde Filmkarriere übertönen. So kam auch bei der Dietrich der erotische Stimmbruch mit den Karrierewechseljahren, als sie nicht mehr als junge, wenn auch kühle Sexbombe besetzt wurde. Da kam die akustische Truppenbetreuung in Afrika und Frankreich als Anti-Lale-Andersen mit „Lili Marlene“ gerade recht. So ist uns die Dietrich heute vor allem als alterslos-erotische Stimme in Erinnerung, die noch als Deutschlands schönste Großmutter pathetisch forderte: „Sag mir wo die Blumen blühn!“ - bis sie als körperliche Ikone hinter den Vorhang ihrer Pariser Rückzugswohnung für immer verschwand.
Dort hat – als eine der wenigen geduldeten – das andere singende große deutsche Schauspiel-Talent sie besucht: Hildegard Knef (1925 – 2002).
Auch sie kaschierte die zunehmenden Leinwand-Misserfolge zwischen Deutschland und Hollywood mit einer Karriere als Sängerin, wie schon 1958 in der BBC-Fernsehshow „The Hildegard Neff Show“, nachdem Cole Porter selbst von der „besten Sängerin ohne Stimme“ (Ella Fitzgerald über die Knef) begeistert war. 1962 wurde die Single „Er war nie ein Kavalier“ ein Erfolg bis es sechs Jahre später endgültig „rote Rosen regnete“.
Singen als zweiter Frühling? Zarah Leander tingelte sich vom umstrittenen Leinwandstar singend bis zur Peinlichkeit auf Kaffeefahrten herunter und der begabte Entertainer Harald Juhnke torkelte letztlich von der Bühne und konnte so der singenden Schauspiellegende Sinatra allenfalls was den Alkoholkonsum anbelangt das Wasser reichen.
Aber nicht jeder hat wie Frankyboy die Mafia hinter sich. Die „Ehrenwerte Gesellschaft“ half der Filmkarriere des damaligen Crooners handfest nach, wie man in Francis Ford Coppolas „Der Pate“ witzig camoufliert in der Figur Johnny Fountain sehen kann.
Was heute fehlt
Mit eigener Kraft schaffte es Herbert Grönemeyer, sich aus dem U 96, dem U-Boot von Wolfgang Petersen zu befreien und seit einem Vierteljahrhundert an der Spitze der deutschen Musiker zu halten. Ähnliches gelang „Theo gegen den Rest der Welt“ (1980), alias Marius Müller Westernhagen. Beide aber opferten für das Gefühl, im Sommer die Stadien zu füllen, ihre damals florierenden Schauspielkarrieren.
Die Liste der musikalischen Flops hingegen liest sich wie die Top-Besetzung eines deutschen Fernsehfilms. Alle, von Heinz Hoenig über Jan Josef Liefers und Ben Becker, „Tatort“-Kommissare und „Rosenheim Cops“ suchen den Erfolg in den Konzerthallen. Fast immer vergeblich. Musikmanager Hans R. Beierlein hatte einst die zündende Idee, Gesangstalente wie Catherina Valente oder Peter Alexander auf die Leinwand zu bringen.
Heute fehlt die Betreuung. Selbst Katja Riemann, die als Teil der Kino-Girlband „Bandits“ Hunterttausende von Soundtrackalben verkaufte, floppte mit „Nachtblende“ als Solistin. Das heißt aber nicht, dass der Wechsel vom Konzertsaal auf die Leinwand einfacher wäre – wie zuletzt Campino von den Toten Hosen im Wenders-Film „Palermo Shooting“ beweisen durfte.
Adrian Prechtel
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