Interview

Simone Kermes: Wie die Diva in der Hypnose die Wahrheit fand

Die Koloratursopranistin ist nach Bayern gezogen, probt intimere Projekte und kommt mit "Arcadiva" in den Silbersaal
von  Adrian Prechtel
Die Leipzigerin war Facharbeiterin für Schreibtechnik, bevor sie Gesang studierte und mehrere Wettbewerbe gewann. Als Koloratursopranistin hatte sie einen Plattenvertrag bei Sony. "Eternity" war ihr erstes unabhängiges Album.
Die Leipzigerin war Facharbeiterin für Schreibtechnik, bevor sie Gesang studierte und mehrere Wettbewerbe gewann. Als Koloratursopranistin hatte sie einen Plattenvertrag bei Sony. "Eternity" war ihr erstes unabhängiges Album. © Dirk Bleicker

Einen "Traum von Arcadien" nennt Simone Kermes ihr Programm für München. Der Konzertabend "Arcadiva" mit Sängerin Simone Kermes und Pianist Ivo Mrvelj ist ein musikalisches Abenteuer und hat viel mit dem aufregenden Leben der Koloratursopranistin zu tun.

AZ: Frau Kermes, was hat Sie als Leipzigerin und Wahlberlinerin in die bayerische Provinz verschlagen?

SIMONE KERMES: Finden Sie nicht, dass man sich immer wieder neu erfinden muss? Letzten Dezember bin ich mit meiner Tochter durch Niederbayern gefahren, weil ich etwas auf dem Land suchte, wo ich sagen würde: "Augenblick du bist so schön, verweile!" Es war magisch, weil gerade der Schneeeinbruch war - wir fuhren extrem langsam und kamen nach Moos, das Dorf mit einem Schlösschen, einem Wirtshaus mit verschneitem Biergarten... Ich bin jetzt dort.

Wunderbar virtuos und vielseitig - auch im Styling: Simone Kermes.
Wunderbar virtuos und vielseitig - auch im Styling: Simone Kermes. © Dirk Bleicker

Und was hat Sie dort empfangen?

Der Mann in der Sparkasse, der natürlich erst einmal lustig auf mein "Guten Tag" reagiert hat. Die Niederbayern scheinen mir sehr direkt, aber freundlich. Es ist ein Anfang von etwas Neuem. Und ich habe auch viele Kostüme und Noten meiner Musikhochschule in Leipzig vermacht.

Woher haben Sie den Mut?

Ich habe mich gefragt, woher manche Sachen und Ängste in meinem Leben herkommen und habe auch so etwas wie Hypnosetherapie ausprobiert. Ich bin weit in meine Kindheit zurückgegangen.

Was haben Sie gefunden?

Warum ich lange immer Angst hatte, alleine zu sein. Deshalb habe ich auch so früh geheiratet und dann nochmal geheiratet. Oder zum Beispiel, warum ich - nach meinem technischeren Beruf - Sängerin geworden bin.

Und warum?

Ich bin als Kind von meiner Mutter nicht geliebt worden. Aber ich habe mir viele Platten gekauft und mitgesungen - bis hin zur Königin der Nacht. Die haben alle gedacht, ich hab 'nen Knall. Aber auf Kindergeburtstagen haben die dann oft gesagt: "So und jetzt singt die Simone noch ein Lied!". Ich war ein braves Mädchen, habe also gesungen: Das waren die einzigen Momente, in denen ich Liebe spürte. Und lange habe ich gedacht, man muss es auf der Bühne allen Recht machen, um Gegenliebe zu bekommen. Aber das ist es nicht. Ich bin nach Berlin gezogen und habe richtig aufgedreht. Wunderbar. Aber da habe ich vielleicht meine Jugend nachgeholt, die ich wenig hatte. Und jetzt bin ich ganz bei mir, das weiß ich und spüre ich. Das ist eine Befreiung.

Idylle mit Lautisten. In den Silbersaal wird Kermes aber mit ihrem Pianisten kommen.
Idylle mit Lautisten. In den Silbersaal wird Kermes aber mit ihrem Pianisten kommen. © Dirk Bleicker

Aber das Publikum muss ja mitmachen.

Das ist die Kunst: Dass man den Menschen etwas vorsetzt, das aus und von mir kommt. Wenn sie das spüren, gehen sie mit.

Und was singen Sie im Deutschen Theater?

Ich fange klassisch an, mit Liedern und Stücken, die mich begleitet haben: was von Händel, "Mignon" von Schubert, das "Hexenlied" von Mendelssohn sowie was von Beethoven und Hugo Wolf. Alles auch schwierig zu singen, aber das muss man machen.

Und dann?

Es wird virtuoser, wilder - und dann intimer. Es gibt ein Stück: "Je suis malade" - ein Chanson, von Serge Lama von 1973, es wurde noch berühmter durch Dalida. Das war immer in meinem Kopf. Aber ich kannte den Text nicht, dann habe ich ihn ins Deutsche übersetzt und gemerkt: Das ist Wahnsinn, er erzählt, was ich in der Hypnose erlebt habe und von meiner Kindheit. Jetzt ist es ein Song im Programm.

Und dann kommt Rammstein?

Ja, aber das darf man nicht falsch verstehen. Ich habe ein schönes Stück von Respighi dabei - das heißt "Nebbie" - Nebel. Und dann habe ich "Nebel" von Rammstein dazu gesetzt, für mich arrangiert wie ein Barocklied. Und so etwas Ähnliches mache ich auch mit der "Stummen Serenade" von Korngold. Da setze ich neben Korngolds "Ohne Dich", den gleichnamigen Titel von Rammstein.

Aber es wird keine sexuellen Belästigungen in der ersten Reihe geben.

Nein, diese Lieder bleiben ja gute Musik, egal was bei den Rockkonzerten vorgefallen ist. Und ich schließe mit Bach und Vivaldi. Ein großes Barockprogramm ist auch gerade in Vorbereitung. In München ist also vieles neu, manches anspruchsvoll, aber alles auch der Bogen meines Lebens.

Freitag, 3 Mai, 20 Uhr, Silbersaal des Deutschen Theaters, 68 Euro, www.deutsches-theater.de

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