Sie tun uns nicht weh
Rammstein in der Olympiahalle: Grusel-Spektakel mit Flammenwerfern und Raketen, das schwer in Gang kam, am Ende aber mit dem Pyro-Hightech und etwas Selbstironie seine Fans überzeugt
Welch Aufregung, welch Spektakel, schon bevor überhaupt der erste Knaller zündet: Rammstein sind – ob man will oder nicht – die Band der Stunde mit weltweiten Chartplatzierungen, ausverkaufter Tournee und stilechter Jugendschutz-Indizierung. Nach fünf Jahren Bühnenabstinenz sind Testosteronspiegel und Schwarzpulvervorräte der sechs Ostberliner hinreichend angeschwollen, um es mal wieder buchstäblich richtig krachen zu lassen.
Doch zunächst brennt es nur bei der Pyro-Technik. Die erste Hälfte des Konzerts stört ein matschiger Sound; die glasharte Wucht der Rammstein-Studioalben fehlt. Auch „Ich Tu Dir Weh“, das indizierte Skandal-Stück über Gewalt und Sadomasochismus, versendet sich ohne Zwischenfälle, lediglich die Hosenbeine flatterten vom Schalldruck der Bassdrum.
Der Sound wurde besser
Etwa ab „Liebe Ist Für Alle Da“ hat der Soundmixer die Halle im Griff und die Horrorshow gewinnt enorm an Intensität. Zu „Benzin“ schleppt Sänger Till Lindemann tatsächlich eine Zapfsäule auf die Bühne, um weiteres Spielgerät zum Zündeln zu haben. Prompt setzt er einen Statisten in Brand, aber es wirkt nicht wirklich gewalttätig, eher wie wenn Buben den Finger an die Kerze halten und unter Gelächter schauen, wer’s länger aushält. Überhaupt darf man ernsthaft staunen, was alles an meterhohem Flammen- und Funkeneffekt in einer geschlossenen Halle erlaubt und möglich ist. Gegen Rammstein sind die Rock-Kanonen von AC/DC pillepalle. Einmal schießen Flammenwerfer bis fast zur Decke, zu „Du Hast“ zischen Raketen über die Köpfe des Publikums (die, im ersten Schock-Moment nicht erkennbar, an Drahtseilen geführt wurden). Das ist, nüchtern gesagt, wirklich beeindruckend.
Besonders feiert das gar nicht mal so sehr männliche Publikum den Porno-Hit „Pussy“: Lindemann ejakuliert ausgiebig mit einer fleischfarbenen Schaumkanone ins Publikum, nun ja. Eigentlicher Höhepunkt ist wohl eher die Zugabe „Haifisch“, als Keyboarder Flake Lorenz mit einem Schlauchboot über die Menge fährt.
Abschied mit Haindling
Am Ende wünscht uns Lindemann mit ungewohnt weicher Sprechstimme eine gute Nacht, macht eine artige Verbeugung. Die Band singt in einem Anfall von Selbstironie a cappella den Haindling-Song „Bayern“, der im Internet mit einem Rammstein-Video unterlegt worden war, und macht eine Berliner Schuhplattler-Einlage. Das war wirklich zum Lachen.
Michael Grill
- Themen:
- Olympiahalle
- Rammstein