Sichtbare Empfindungen
„Die Kunst, die macht mich immer jünger“: Das Spätwerk der 90-jährigen Malerin Maria Lassnig im Lenbachhaus-Kunstbau
Für Maria Lassnig bietet die menschliche Existenz „Drei Arten zu sein“: Auf ihrem gleichnamigen Gemälde sieht man sie als Krüppel, als Schwein und in Denkerpose. Ihre Bildsprache ist direkt und ausdrucksstark. Die 1919 in Kärnten geborene Künstlerin erschafft ihren Körper in immer neuer Pose und Deformation.
Jetzt ist ihr faszinierend vielgestaltiges Spätwerk aus den letzten zehn Jahren im Lenbachhaus-Kunstbau zu sehen. Die 90-jährige mit der Vorliebe für Rosa, Gelb und Grün malt so drastisch-plakative wie plastisch-expressive Bilder, die den weiblichen Leib zwischen Lust, Schmerz und Vergänglichkeit zeigen. Körperliche Empfindungen sind ihr Thema; man sieht, was sie spürt. Dabei verformen sich Gliedmaßen schon mal bis zur Abstraktion. Stilistische Variation ist nicht zeitlich bedingt, sondern Ausdruck verschiedener Stimmungen.
Altmeisterlich
Lassnig malt, laut Kurator Matthias Mühling, ganz altmeisterlich, nach dem Modell. „Fotografie gegen Malerei“ heißt ein Bild, in dem die Personifikation der Malerei die Maske fallen lässt, während die Fotografie hinter einem Kamera-Visier versteckt bleibt.
Ihre Karriere begann sie zur Zeit der Wiener Aktionisten, zog zwischendurch nach New York, kehrte als Professorin zurück an die Wiener Akademie. In den 60ern waren ihre Akte eine Provokation. Auch heute ist ihre kämpferische, aber gar nicht zwanghaft feministische Malerei, die unerschrocken Tabus bricht, einzigartig. Manche ihrer Selbstporträts tun weh: Sie zeigen den Schädel ohne Haare, reduziert auf das hart geschnittene Gesicht. Ein Bildnis zeigt sie im Krankenbett, den Körper durch eine Linie getrennt vom Kopf.
Morbider Humor
Aber Lassnigs Kunst ist zugleich voller, mitunter morbidem Humor, ob das „Selbstbildnis mit Meerschweinchen“ oder die „Mehlspeisenmadonna“. Nur Männer tauchen eher als Anti-Helden auf: Fettleibige Nackte, die als „Insektenforscher“, „Weltzertrümmerer“ oder gar „Kinderschänder“ ihre Unbeholfenheit mit Gewalt kompensieren.
Roberta De Righi
Kunstbau, bis 30.5., Di – So 10 bis 18 Uhr
- Themen: