Sich neu einrichten in der Ehe-WG

Sex und Liebe nach vielen Ehejahren: Meryl Streep und Tommy Lee Jones in einem der besten Filme des Jahres – mit biederem Ende
von  Abendzeitung

Manchmal ist die heile Welt die Hölle – nur merkt man es eben nicht gleich. Morgens macht sie ihm treu Speck und Spiegelei, er liest am Frühstückstisch Zeitung. Der Abschiedskuss auf dem Weg zum Büro ist ein Routine-Bussi: Bis später Schatz!

Heute sind die Kinder und der Schwiegersohn zu Besuch – ein beklemmend netter, banaler Abend. Man landet vor dem Fernseher: „Wir haben ja den Kabelvertrag. Da gibt’s richtig viele Programme”, sagt er und wird spät einnicken. Am nächten Morgen: Da capo!
Aber dann passiert’s: Eine zufällige Ratgebersendung im Fernsehen, ein Anruf einer Freundin... Die Gefühls-Erkenntnis, dass man lebendig tot ist, setzt sich in ihr fest und der Entschluss, dass sich etwas ändern muss.

„Teufel trägt Prada”-Regisseur David Frankel seziert diesmal messerscharf Alters- und Ehe-Routine – mit Meryl Streep als anfangs noch unbewusst, dann offen, aber immer liebende „Desperate Houswife”. Sie wird die Gewohnheits-Konservativität aufbrechen und nur gewinnen, weil sie alles wagt – einschließlich Trennung und genau daraus die Kraft gewinnt, ihn zum Aufbruch zu zwingen.

Es gibt in diesem Film viele wunderbar tragikomische, (auch im wahrsten Sinne des Wortes) intime Momente. Wenn Meryl Streep sich abends im Nachthemd im Spiegel betrachtet: Ohne ein Wort sieht man den inneren Monolog über Falten, Fülle und die Frage: Bin ich (noch) schön? Sie wird an diesem Abend in die Offensive gehen, hinüber ins Schlafzimmer des Mannes (Tommy Lee Jones) – und auf konsterniertes Unverständnis stoßen, sich eine unbefriedigende Abfuhr holen.

Lange Zeit fühlt man mit ihr. Es droht ein reiner Frauenfilm. Und dann gelingt genial-dramaturgisch die Balance. Seine männliche Beharrungs-Strategie, um jegliche Veränderung zu verhindern, geht nicht auf, als er merkt, dass er sie sonst für immer verlieren wird. Aber bei der – von ihr erzwungenen – Eheberatung (mit Steve Carell als Therapeut), brechen auch aus ihm plötzlich verschüttete Gefühle wieder heraus. Und wie bei einem guten Woody-Allen-Film wird klar, was auch er schon immer an Sex erleben wollte, aber mit ihr nie zu leben wagte.

Der Film ist bei alledem eine amüsant-voyeuristische Selbstbefragung des Zuschauers im geschützten Dunkel des Kinosaals – man lacht, schluchzt, hofft nach allen Hollywood-Regeln der Gefühlsklaviatur und geht befreit nach hause. Vielleicht sogar um dort ein überfälliges Gespräch anzufangen.

Etwas bieder verzichtet „Wie beim ersten Mal” auf jegliches (belebendes) Untreue-Moment. Die vorstadt-sexy Nachbarin mit ihren Corgies kommt (spießigerweise) nie zum Zuge.

Kino: City, Cinemaxx, Münchner Freiheit, Solln, Mathäser (auch OV) sowie Cinema und Museum (OV), Monopol (OmU)
R: David Frankel (USA, 100 Min)

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