Shoppen und flüchten
Einkaufspassage, Bürogebäude und Terminal: Am 11. September wird Münchens Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) an der Hackerbrücke eingeweiht
Das Hinterstellen von Fuhrwerken ist verboten“, steht noch in altmodischen Lettern unter den Torbögen der Hackerbrücke. Doch nebenan, in Münchens neuem Zentralen Busbahnhof (ZOB), sind die alten Zeiten weit weg, hier halten keine Pferdekutschen mehr.
Der Neubau, der sich zwischen Bahntrasse und Arnulfstraße entlangzieht, dient als Bürogebäude, Einkaufspassage und vor allem Bus-Terminal, von dem aus ab 11. September Linienfernbusse nach ganz Europa rollen. Und ist zum abgelegenen Dauerprovisorium am Heimeranplatz definitiv eine Verbesserung. Der Entwurf stammt von den in München gut bekannten Architekten Auer & Weber Assoziierte, die zuletzt den Petueltunnel errichteten und den Wettbewerb um den neuen Hauptbahnhof gewannen.
Die windschnittige Großform des Gebäudes, das sich nach Westen wie eine Düse öffnet und nach Osten hin stark verjüngt, orientiert sich an der Aerodynamik – laut dem Bauherrn Hochtief Projektentwicklung sei „ein ICE-Triebwerk“ ideengebend gewesen. „Raumschiff“ wird ein solches Objekt, das aus der üblichen Blockrandbebauung mit Lochfassaden rausfällt, oft vom Volksmund genannt. Wenn man sich dem ZOB von der Hackerbrücke aus nähert, sieht der langgezogene Komplex allerdings eher aus wie ein riesiges Insekt, dessen Chitinpanzer in der Sonne glänzt.
Ein klarer Fall von Show-Architektur: Die aufwändige Verkleidung aus waagerechten Aluminiumröhren gibt dem fünfgeschossigen Bau seine auffällige Außengestalt – die mit dem Innenleben nichts zu tun hat. Aber man kann hinter den Röhren fünf Querbauten und vier Höfe erahnen. Die Nordfront ist das Rückgrat, das alle Bauteile zur Kammstruktur verbindet.
Der Wartesaal als Schau-Raum für den Abschiedsblick
Der Hauptzugang zum ZOB liegt dem Hauptbahnhof zugewandt. Die Front wird dominiert von einem schräg vorkragenden Glasbaukörper, der sich aus dem Röhren-Dach schiebt – und der im Wesentlichen einen großen Gastronomiebetrieb beherbergt. Wohl damit der noch besser vermarktbar war, wurde im Erdgeschoss ein formal völlig unmotivierter Rundbau vorgesetzt, der dem Restaurant den separaten Zugang und eine Außenterrasse ermöglicht. Einprägsam ist die disparate Formgebung jedoch nicht.
Daneben führt eine breite Freitreppe in die Ladenpassage, die außen durch orangegelb lackierte Metallpaneele markiert wird – vielleicht eine ferne Referenz an das Gelb im Stadtwappen. Der „Non-Aviation-Bereich“ der Flughäfen war hier Vorbild, in denen man die Wartezeit mit shoppen verkürzen kann. Am ZOB kann man zwar keine internationalen Nobellabel-Shops leerkaufen, dafür einen Super- und einen Drogeriemarkt – oder sich noch schnell die Fingernägel tunen und die Hochfrisur zementieren lassen. Dafür dient die Passage auch als – eher mickrige – Einkaufsmeile für die Versorgungswüste des Arnulfparks. Es ist eine kleine Mall, wie die meisten unerfreulich niedrig. Doch das Lichtkonzept sorgt für Ausgleich: Viermal öffnet sich mit imposanter Wölbung die Betondecke zu den darüberliegenden Höfen, dazwischen liegen cool leuchtende Rechtecke mit gerundeten Ecken.
Der Weg ins Reisezentrum und in den kleinen, aber streng designten Wartesaal ist schwerer zu finden. Doch die Suche lohnt sich – dort ist nicht nur das große Panoramafenster windschief. Der schräge Schau-Raum liegt im obersten Geschoss, ist möbliert mit dem „Chair one“ von Konstantin Grcic – und bietet einen wunderbaren Blick über die Innenstadt mit der Frauenkirche. Hier ist München noch nah und scheint schon unwirklich fern.
Am unspektakulärsten ist der Terminal selbst: 29 Haltebuchten zwischen Betonsäulen unter schwarzer Decke. Ein Ort, an dem der Abschied nicht arg schwer fällt.
Roberta De Righi
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